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Bagdad brennt
Überleben im Krieg

Bin ich ein Fake? Mich dürfte es so gar nicht geben. Ich eine Irakerin, die englisch kann, die das Internet beherrscht, die als Programmiererin arbeitet. Bin ich gar nicht existent? Und doch da steht sie: die 24-Jährige Irakerin, die als „Riverbend“ einen Internetblog zu Zeiten des Irak-Krieges betrieben hat. Christina Huckle vom Theater Bielefeld verkörpert sie inmitten von Umzugskartons. Wie sich Krieg anfühlt, wenn man als Mensch in ihm um sein tägliches Überleben kämpft, lässt sie den Zuschauer hautnah nachfühlen.
Überall kleben weiße Zettel an den Wänden, die der Ventilator in Bewegung bringt. Drei Monitore stecken in Kartons und stellen von Zeit zu Zeit die Verbindung zur Außenwelt dar. Dazwischen hockt die junge Frau ganz in Schwarz. Sie lebt im Irak, in das die Koalition der Willigen einmarschiert ist, um ihm die Segnungen der Freiheit und Demokratie zu bringen. Doch die junge Frau erlebt die Befreiung als kriegerische Besetzung. Sie hat ihre Arbeit verloren. Sie kann als Frau nicht mehr alleine auf die Straße gehen. Ihre Familie ist ständig durch Razzien, Kontrollen, Entführungen und Erpressungen bedroht. Nicht nur die Getöteten leiden, sondern die Lebenden ebenso. Sie leben von einer Angst zur nächsten Hoffnung, von einem Schrecken zum nächsten Aufatmen. Sie werden zu unfreiwilligen Experten für den Klang von unterschiedlichen Waffen. Jeder Passant kann der Tod bringende Feind sein. Eine Autobombe auf CNN zu sehen ist etwas völlig anderes als in jedem Auto einen tödlichen Feuerball vermuten zu müssen. Gerade diese Frau, die perfekt englisch sprechen kann und amerikanische Popmusik und Spielfilme liebt, lernt die Amerikaner zu hassen.
John von Düffel hat diesen Stoff für die Bühne bearbeitet. Unter der Regie von Alexander Hawemann wurde er am Theater Bielefeld aufgeführt. Die Schauspielerin Christina Huckle macht den Text zu einem intensiven emotionalen Erlebnis. Sie wirbelt über die Bühne, zerreißt Umzugskartons, schreit ihre Wut heraus, tanzt zu amerikanischen Popsongs, erinnert sich sehsuchtsvoll an frühere Zeiten, weint über den Verlust jeglicher Lebensqualität. Sie macht nachfühlbar, wie schwer das Überleben in Kriegszeiten ist.
Birgit Schmalmack vom 10.5.09