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Schiffbrüchige im Vergnügungspark
Punks der Liebe
Wenn man die Treppenstufen in den Keller des Kreuzberger Hinterhauses hinabsteigt, schlägt einem ein muffiger Geruch entgegen. Hier befindet sich das Garn-Theater. Ein Theaterort, der wie geschaffen ist für die düsteren Stoffe, die das Leben oder ein Theaterautor schrieb. Doch in diesem Sommer hat sich Theaterleiter Assor ein Stück ausgesucht, das sich dem Vergnügen widmet, wenn auch auf sehr skurrile und makabere Art.
Zusammen mit Maila Barthel spielt er in dem sorgsam, mit Kerzen, Herzen und Tüchern dekorierten Kellerraum ein Paar, das seine Liebe mit grenzenloser Fantasie zelebriert. Beschränkung durch Moral, Konventionen oder Alltag akzeptieren sie nicht. Voller Überraschungen, vergnüglich, aufregend: So gestalten die Zwei sich das Leben jeden Tag in ihrer Wohnung. Sie brauchen dafür keine Eventcenter oder Disney-Land-Parks, sondern nur ihre Fantasie und ihren Einfallsreichtum.
Gleich am frühen Morgen stellt sich die Frau vor, ihren Ehemann („dieses Tier mit den großen Füßen, dem die Haare langsam ausfallen“) Gift in den Kaffee zu mischen. Bei Frühstück amüsieren sie sich gegenseitig mit absurden Ideen, die sie aus ihrer Zeitungslektüre ziehen. Mal soll eine Französin mit in ihrem Bett übernachten, dann will der Mann einen Käfig zum Hühnerhalten kaufen oder die Frau Dr. Sommer aus der Bravo fragen, wo die Zahnbürste ihres Mannes abgeblieben ist.
Die eifrige Suche nach Aufregung gipfelt im Mord an der Ehefrau und ihrer Wiederkehr als gutgläubige naive Putzfrau, die der Mann kurzerhand vernascht. Sie revanchiert sich prompt und ersticht ihn mit der Gabel. Zum Glück ist auch dieses unrühmliche Ende nur gespielt und das zufriedene Paar ist am Ende wieder glücklich vereint und freut sich auf einen weiteren gemeinsamen Tag voller neuer Vergnügungen. „Ein aufregender Tag war es heute in unserem Vergnügungspark“, resümiert die Frau zum Schluss mit strahlender Miene.
Assor würzt das heitere Stück von .......mit seinem intensiven und doppelbödigen Spiel, das die Abgründe stets mit anklingen lässt. Maila Barthel zeigt eher die heitere Oberfläche, die ständig nach mehr Amüsement, Aufregung und Unterhaltung verlangt.
Man könnte das Stück als Beschreibung zweier Lebenskünstler lesen, die ihrer Lebensfreude und Fantasie ungehemmt Ausdruck verleihen. Man könnte aber darin auch eine höchst aktuelle Kritik an einer ständigen Suche nach Spannung und Nervenkitzel sehen, der die tiefgängigen Momente im Leben völlig ausblendet. Denn Muße zur Konzentration und Ruhe zum wahrhaftigen Gespräch mit intellektueller Schärfe finden die Beiden bei ihrer Hetzjagd nach immer spektakuläreren Einfällen nicht.
Birgit Schmalmack vom 12.8.08