Georg Elser, Thalia


Einsamer Held

Hätte dieses Attentat Erfolg gehabt, wären Deutschlands politische Karten neu gemischt worden und dem Land wohlmöglich große Schuld erspart geblieben. Der Arbeiter Georg Elser hatte schon am 8.11.1939 ein Attentat auf Hitler verübt, das jedoch fehlschlug. Hitler beendete seine Rede wenige Minuten früher als geplant. So zündete die Bombe zwar wie vorgesehen, tötete nur fünf einfache Parteianhänger und eine unschuldige Aushilfskellnerin.
Zum 30 jährigen Jahrestag spürte das Thalia Theater dem "Held ohne Lobby" Elser nach. Er war ein einfacher ungebildeter Arbeiter, der schon 1938 spürte, dass die derzeitige Regierung Deutschland großen Schaden zufügen würde. Und der sich entschloss zu handeln. Ohne Vorkenntnisse und ohne eigene Mittel erdachte er in Eigenregie einen Apparat, der zu einem vorgesetzten Zeitpunkt eine Bombe während einer Rede Hitlers im Münchner Bürgerbräukeller zur Explosion bringen sollte. Er kundschaftete ohne Unterstützer aus, welcher Ort, welche Zeit und welches Versteck dazu am besten geeignet wäre. Er verschaffte sich Zugang zu dem Werkzeug, zu den Materialien und zu den Orten, die dafür nötig waren.
Der Schauspieler Jens Harzer und der Autor Helmut Butzmann haben im Thalia Theater weiter an ihrem "mobilen Denkmal" für diesen unbekannten Widerstandskämpfer gebaut. Harzer las dazu aus den Verhörprotokollen der Gestapo und Butzmann steuerte Informationen zur geschichtlichen Einordnung zu. Butzmann nutzte dazu einen weitaus berühmteren Attentäter Hitlers als Kontrastmittel: von Stauffenberg. Hier ein adliger Militär aus den besten Kreisen mit einem weit verzweigten Netzwerk, dort der ungebildete Einzeltäter. Hier der weitblickende Stratege, der auch schon für die Zeit nach dem Attentat Pläne ausgearbeitet hatte, hier der einfache Mann, der Deutschland nur die Chance auf einen Neuanfang geben wollte, ohne selbst Nutznießer zu sein. Hier ein Mann mit allen Möglichkeiten, hier einer mit kaum einer. Dennoch war bei beiden das Ergebnis das gleiche: beide sind gescheitert, beide sind hingerichtet worden. Doch der eine wird heute dafür geehrt, der andere ist fast ganz in der Versenkung verschwunden. Auch dieser Abend muss sich die Frage gefallen lassen: Warum dann so viel von Stauffenberg berichten, wenn Elser doch im Mittelpunkt stehen sollte? Gaben die wenigen Informationen, die zu Elser verfügbar sind, dafür den Ausschlag? Doch die Leerstellen um Elser füllt Harzer mit seine tastenden Stimme, mit seiner vorsichtigen Sprechweise, mit seinem bedächtigen Vortrag, der sich nur um die einfachen Fakten bemüht, auf wundersame Art aus. Er ist die perfekte Besetzung, um Elsers Verhör mit Leben zu füllen. Die Geschichte Elsers hätte den Kontrast seines berühmten Nachahmers nicht in dieser Ausführlichkeit bedurft.
Birgit Schmalmack vom 12.11.19