Farm fatale, Thalia

Farm fatale, Thalia

Niedliches Spiel der Vogelscheuchen

Vögelscheuchen sind die letzten Hüter der Zivilisation. Sie haben zwar ihre Jobs verloren, seit es weder Vögel noch Farmer gibt, aber sie erfüllen eine wichtige Aufgabe. Sie archivieren die Geräusche der Natur. Den Gesang der Vögel, das Rauschen des Meeres, das Flüstern der Flüsse, das Summen der Insekten. Denn alles das hat der Mensch ausgerottet. Doch die Scheuchen machen unermüdlich weiter. Sie senden ihr Radioprogramm in die Welt, ohne zu wissen, wen sie damit erreichen. Umso erstaunter sind sie, als ein Zuhörer ihr Studio betritt. Er kommt frisch von einer Gelbwesten Demo. Sein Schild mit der Aufschrift „no air“ wird flugs zu „on air“ umgedreht und schon ist er Teil ihrer Truppe. Schnell wird zur Redaktionssitzung geläutet und die anstehenden Themen vorgestellt.
Regisseur Philippe Quesne hat wieder einmal auf der Bühne (diesmal der Münchner Kammerspiele) ein Vivarium eingerichtet, das mit Hilfe von erfundenen Figuren einen frischen, ungewohnten und Blick auf unsere Gesellschaft versuchen will. Die Ausrottung der Natur und der Menschen scheint Platz gemacht zu haben für eine lobenswertere Spezies. Die Vogelscheuchen (im gemischt deutsch-französischen Ensemble) sehen in ihrer Verkleidung zwar lächerlich und ungelenk aus, offenbaren in ihrem Miteinander aber mehr Qualitäten als ihre einstigen Auftraggeber. Quesne zeigt die Folgen der Zerstörung durch die Gier der Menschen, doch auf eine so vergnügliche Art, dass sich das Entsetzen darüber in Grenzen hält. Ebenso auch der zusätzliche Erkenntnisgewinn. Quesne verzichtet auf einen psychologischen oder philosophischen Über- oder Unterbau. Er entwirft eine Welt, die so friedlich und niedlich ist, dass man denken könnte, dass der Mensch hier überflüssig sei. Als die Scheuchen zum Schluss ihr Egg-Projekt vorstellen, wird die Show arg mystisch. Die Ei-Beschwörung zeigt jedoch: Die Natur wird den Menschen überleben! Das Nach- oder Weiterdenken kann man über dieses süße Puppenspiel ohne größeren Tiefgang jedoch allzu leicht vergessen.

Birgit Schmalmack vom 5.2.20