Amarillo, Thalia

Amarillo von Jorge A. Vargas bei den Lessingtagen


Bilderreiche Grenzübertritte

Die Wand ist unüberwindlich. Sie trennt Mexiko und die USA. Hundertertausende machen sich jedes Jahr auf ins gelobte Land über den Weg durch die Wüste. 200 bis 300 sterben dabei jährlich. Ob sie nun von der Bestie, dem schwarzen Zug, der durch Lateinamerika braust, zermalmt, von den Schleppern ausgenommen, von den Grenzern festgesetzt oder in der Wüste verdurstet sind, sie alle haben mit ihrem Leben oder ihrer Gesundheit dafür bezahlt, von einem besseren Leben zu träumen und sich dafür auf den Weg zu machen. Davon erzählt Amarillo (spanisch für "gelb", wie der Wüstensand, wie das Gold, wie die brennende Sonne) von Jorge A. Vargas aus Mexiko. Auf poetische, sinnliche, musikalische und tänzerische Art erzählt er mit seinem Ensemble eine sinnliche Reise in ein gefährliches Grenzland. Er erzählt von Menschen, die die Not und Gewalt im eigenen Land nicht mehr aushalten. Die allen Mut zusammen nehmen und sich auf den Weg machen, um das scheinbar so nahe Land der Träume zu erreichen. In das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, das so lange mit diesem Slogan für sich warb und auch billige Arbeitskräfte anzog, wollen sie um jeden Preis. Warum sollte die willkürlich gezogenen Grenzen für sie ein unüberwindbares Hindernis sein?
Weniger durch die konkreten Geschichten als vielmehr durch eine fantasie- und kunstvolle Mixtur aus einfachen und technischen Mitteln wie Sand, Staub, Wasser und Projektionen von Kamerabildern werden eindrückliche Bilder erschaffen, die ein Gefühl von unbändiger Lebensenergie, Mut und Verzweiflung erzeugen, das sich jenseits der Texte einprägen. Ein vor Kreativität sprühendes Werk, das eher beschreibt als anklagt. Eine kluge Inszenierung, die einfühlen lässt ohne direkt politisch Position beziehen zu wollen. Die das aber sehr wohl dem Zuschauer nach dem Stück zutraut.
Birgit Schmalmack vom 11.2.20

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