Andares, Thalia

Andares von Héctor Flores Komatsu & Ensemble, Lessingtage



Indigene Kulturschätze

Wie lassen sich Traditionen bewahren und gleichzeitig eine Weiterentwicklung erreichen? Wie ist eine Verständigung zwischen den Kulturen möglich? Wie kann man Tradition und Moderne verbinden ohne sich zu verlieren oder zu verkaufen? Wie weit ist eine Einfluss von außen dabei schädlich? Diesen Fragen geht der Regisseur Hector Flores Komatsu mit seinem in Mexiko entdeckten Ensemble nach. Drei außergewöhnliche Darsteller hat er dafür gefunden und mit ihnen zusammen sein Stück entwickelt. Sie steuern ihre Geschichten, ihre Bräuche, ihre Mythen und Erfahrungen bei. Er komponiert daraus einen eindrucksvollen Theaterabend, der die traditionelle Theatersprache aus Tanz, Maskenspiel und Sagen aufgreift und sie bis in die Gegenwart weiterführt. So erkennt ein kleiner Junge, dass er nicht mit seiner Großmutter kommunizieren kann, da er ihre Sprache nie gelernt hat. Ein anderer kleiner Junge fühlt sich zu seinen Spielkameraden hingezogen und hat schließlich sein Coming Out als „Muxe“, einer Person dritten Geschlechts. Drei Vertreter (Josué Maychi, Domingo Mijangos, Lupe de la Cruz) indigener Kulturen aus Mexiko (u.a. Maya und Zapotekisch) zeigen auf der Bühne, wie es gelingen kann, zu einem Austausch untereinander zu kommen. Doch Komatsu deutet auch innere Risse an: Der scheinbar fortschrittliche Umgang mit dem Thema Transgender bedeutet nicht unbedingt individuelle Freiheit für den Einzelnen. Auch sie bleiben in ihrer familiären Rolle gefangen.
"Andares" zeigt: Ihre Kulturen verfügen über ein reichhaltiges kulturelles Erbe und sie sind bedroht. Ihrem droht die Auslöschung. Eine Mafia des Kapitals und der Politik verdrängt ihre Lebensweise. Der Abend ist ein Plädoyer für eine Würdigung dieses Schatzes an kulturellen Traditionen, die im westlichen Kontext viel zu selten zu sehen sind.

Birgit Schmalmack vom 11.2.20

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