Eine Box in der Box

König Ubu, DT Eine Box in der Box


Noch ist die Guckkastenbühne in der Box des Deutsches Theaters strahlend weiß. Nur ein paar Schaumstoffblöcke stehen auf ihr herum. Doch als sich die ersten geschwärzten und verschmierten Gesichter über den Rand schieben, ist klar: Das wird wohl nicht lange so bleiben. Der junge ungarische Regisseur András Dömötör hat Alfred Jarrys Spiel König Ubu konsequent noch ein paar Umdrehungen weiter in Richtung Absurdität, Witz, Klamauk und Satire gedreht. Ohne an dem letzten Aspekt Abstriche zu machen. Schon bald ist die einst weiße Bühne verschmiert, nicht nur mit roten Blut sondern auch mit brauner Scheiße. Denn das todernste Spiel um die Macht befördert nicht nur die Blutrünstigkeit sondern auch die Arschkriecherei in den Menschen hervor.
Vater Ubu muss erst zur Machtergreifung überredet werden. Und zwar von seiner machtgierigen Frau. Shakespeare lässt grüßen. Sie trägt die blutverschmierte Fratze schon im Gesicht, die ihr Mann bald in die Tat umsetzen wird. Sie wäscht derweil ihre Hände in Unschuld, während ihr Mann, von ihr angestiftet, alle massakriert, die ihm auch nur den Hauch eines Widerspruchs entgegenbringen. Bald steht der Staat ohne jede Struktur gebenden Beamten dar, weil der dumme Regent alle einen Kopf kürzer gemacht hat.
Doch das Volk hält nur still, wenn seine Versorgung halbwegs gesichert ist. Wenn es nichts zu verlieren hat, droht der Aufstand. Das erkennt Ubu zu spät. Nun muss er sich auch noch gegen seine revoltierenden Widersacher zur Wehr setzen. Kurzerhand mutiert er zu Hulk um in einer furiosen Comicszene gegen seinen Konkurrenten zu Felde zu ziehen.
Jarrys Farce war ein Skandal zu seiner Uraufführung. Heute ist es eher ein Vergnügen, den drei Schauspieler:innen (Linda Pöppel, Božidar Kocevski, Elias Arens) zuzusehen, wie sie sich auf der engen Bühne in komischsten Verrenkungen austoben und das Stück konsequent durch den Kakao ziehen. Sie klamauken sich durch das Stück, aber schaffen tatsächlich das Kunststück, auch den ernsten Hintergrund immer wieder durchschimmern zu lassen.
Birgit Schmalmack vom 13.10.22