Ödipus, DSH
Er bleibt in der Rolle eines Ohnmächtigen, den die Götter hin- und herschleudern und der dabei von seinen Emotionen überwältigt wird. In der Neuinterpretation von Roland Schimmelpfennig des dritten Teils der Antiken-Serie im Schauspielhaus unter der Regie von Karin Beier bleibt dieser Ödipus ein zu groß geratenes Kind mit Machoallüren, das dem Orakelspruch nichts entgegenzusetzen hat, ja es nicht einmal versucht. (© Monika Rittershaus, 2023)
Prolog Dionysos, Schauspielhaus
Spielt der Mensch heute Gott, ist er derjenige, der stets nach Macht, Einfluss und Aufmerksamkeit giert? Oder sind Götter auch nur Menschen in anderer Gestalt? Mit nur noch perfideren Techniken der Zerstörung ausgestattet? Bedeutet Stadt tatsächlich Zerstörung, wie es im Text an einer Stelle heißt? (© Monika Rittershaus, 2023)
Mercy Seat - Winterreise, DSH
Wie Charly Hübner das in seinem ungekünstelten, eindringlichen Gesang hinterfragt, wie das Ensemble Resonanz dies in Tobias Schwenckes Neukomposition zwischen Schubert und Cave erkundet, wird zu einer spannenden Erkenntnisreise, die mehr Fragezeichen aufwirft als Antworten gibt und gerade damit den unergründlichen Seelenlandschaften eines einsamen Menschen Töne, Klänge und ein Gesicht gibt. Nämlich das des einfühlsamen Charly Hübners inmitten eines grandioses Ensembles auf der Bühne des Schauspielhauses.
Fleisch, DSH
Doch so klar der Sachverhalt zu Beginn von "Fleisch" auch scheint - im Laufe der Aufführung im Rangfoyer des Schauspielhauses werden alle Klarheiten konsequent in Frage gestellt. Wer hier Täter und wer Opfer ist, darüber kann man auch am Ende immer noch vortrefflich diskutieren. So schützt der klug aufgebaute Text von Gillian Greer und die geschickte souveräne Inszenierung von Julia Redder vor vorschneller Einsortierung und vor unbedachten Urteilen. ( Foto: sinjehasheider)
Ministerium der Einsamkeit, Schauspielhaus
So verleiht die Arbeit des Teams um Regisseur Peter Kastenmüller dem Thema Einsamkeit einen Abend im Scheinwerferlicht, der von allem etwas hatte: Von jugendlicher Power, von lebenserfahrener Reife, von Absurdität, von leichtem Humor, von Kunst, von dröger Beamtenlogik und von bemühtem Politikerin-Sprech. Er balanciert geschickt auf dem schmalen Grat zwischen Selbstironie und ernsten Botschaften.
Aus dem Leben, Malersaal
Das sie zum Schluss einen bunten, lauten Umzug mit Blaskapelle und einen großen Festschmaus auf dem Sarg veranstaltet, ist natürlich in Deutschland eine geradezu utopische Wunschvorstellung. Hier würde es schon reichen, wenn das Sterben genau so selbstverständlich und unaufgeregt zum Thema gemacht werden könnte, wie hier im Malersaal. (Foto: Thomas Aurin)
Die acht Oktavhefte, Schauspielhaus
In den "Acht Oktavheften" hat Kafka Tagebucheintragungen, Geschichtenideen, Gedankensplitter gesammelt, die erst nach seinem Tod veröffentlicht wurden. Sie kennen keinen Handlungsstrang wohl aber eine Grundstimmung. Der gibt Luz mit seinem hervorragenden Ensemble, dem Bühnentechnikerchor und dem Pianisten Daniele Pintaudi ein intensives dichtes Atmosphärengespinst, in dem sich die Schauspieler:innen traumwandlerisch bewegen und verfangen.
Der lange Schlaf, Schauspielhaus
Regisseur Philip Stölzl inszeniert den spannenden, höchst aktuellen Text ganz nah am Stoff. In fünf realistisch dekorierten, fahrbaren Kuben arrangiert er die verschiedenen Orte des Geschehens, blendet sich hinein und wieder hinaus und gibt so schlaglichtartig Einblicke in die jeweiligen Entwicklungen vor Ort. Stölzl ist weit davon entfernt Regietheater zu betreiben. Er stellt sich vielmehr in den Dienst des Inhalts
Jeeps, DSH
Abdel-Maksoud spießt in ihren messerscharfen Dialogen die Vorurteile über die jeweils andere Seite gekonnt auf. So hat sie ein ernstes Thema in herrlich überdrehter und vor Witz sprühender Form zum Thema gemacht. Goetze lässt sich von ihrem Text zu immer neuen Einfällen verführen. Das ist anregendes und Spaß machendes Theater mit gleichzeitig unterhaltendem und politischem Anspruch. Nicht unbedingt der Standard auf deutschen Bühnen. Also unbedingt anschauen.
Caesar, Schauspielhaus
Handlung gibt es bei Regisseur Stefan Pucher nicht mehr. Entweder lässt er diese vom Dichter kurz referieren oder zeigt sie in Form einer Marmorstatue, die anfängt zu bluten. Er reduziert damit das blutige Drama von Shakespeare auf ein theatrales Thesenspiel. Ihn interessiert nicht der Tyrannenmord, ihn interessieren die Auswirkungen eines gefährlichen Populismus,
Johanna, Schauspielhaus
Der große Auftritt will also nicht gelingen, immer wieder muss ein neuer Anlauf genommen werden. Um wahrhaft überzeugend zu wirken, den gemeinsamen Herzschlag zu spüren, wirklich nicht nur Körper an Körper sondern Herz an Herz voranzuschreiten, fehlt noch viel. Vielleicht genau die Portion an Testosteron, die das Denken aussetzen lässt und die diese weiblichen Akteurinnen nicht ihr eigen nennen können? (Foto: Sinje Hasheider)
Bunker Slam no 86, Kampf der Künste
Die Bandbreite der Themen ist so groß wie der Umkreis, aus dem Poet:innen angereist sind. Aus Düsseldorf, Bargteheide, Leipzig, Kiel, Bochum und München sind sie gekommen und beschäftigen sich in einer wildem Mischung mal mit ernsten Anliegen und mal mit purem Quatsch, aber immer mit viel Sprachwitz garniert.
Macbeth, Schauspielhaus
Am Ende ist das Publikum im ausverkauften Schauspielhaus dennoch sichtlich angetan und spendet viel Applaus für das tolle Ensemble und das effektreiche Bastel-Bühnenbild, das seine papierleichten Wald-Girlanden mit Hilfe des schweren Hebegestänges der Bühnentechnik eindrucksvoll aus- und wieder einfalten kann. Denn es sind eher die kleinen und größeren Einzelleistungen als der große überzeugende Neu-Ansatz, der diesen Abend dann doch zu einem sehenswerten macht.(© Lalo Jodlbauer)
Der Kirschgarten, Schauspielhaus
Dennoch muss man Mitchell natürlich zustimmen: Die Zeit für die langatmigen Selbstinszenierungen der Menschen ist vorbei. Jetzt sollten wir der Natur zuhören. Ob dafür allerdings das Theater der geeignete Raum ist, darf nach diesem Experiment bezweifelt werden. Dazu fährt man im Frühling lieber direkt ins Alte Land und legt sich auf eine Kirschblütenwiese. Wenn dieses Stück einzelne dazu angeregt haben sollte, hat es vielleicht seinen Zweck erfüllt.
Woyzeck, Schauspielhaus
Dennoch: In ihrer Konsequenz hebt sich diese Arbeit mit ihrem überaus stringenten und künstlerischen eindrucksvollen Gestaltungswillen heraus. Klassische Woyzeck-Inszenierungen gibt es schließlich schon genug auf deutschen Bühnen. (Foto: Aurin)
Das Ereignis, Schauspielhaus
Regisseurin Annalisa Engheben zusammen mit Sandra Gerling, Josefine Israel und Sasha Rau Sandra Gerling, Josefine Israel und Sasha Rau als dreifache junge Frau umgesetzt. Sie umkreisen die riesengroße Figur in der Mitte, die ein Symbol der Körperlichkeit ist, erklimmen sie, versuchen sie vergeblich zu verschieben und nutzen sie als gemeinsames Spielfeld. Obwohl die Frauen hier sehr zurückgenommen agieren, ganz im Stil des Textes, machen sie klar: Sie sind keine Opfer sondern Gestalterinnen ihres Lebens. Foto: Sinje Hasheider)
Revolution, Schauspielhaus
Man macht sich dreckig, wenn man sich mit den mafiösen Drahtziehern einlässt. So viel wird deutlich: Michail ist schnell über und über mit Blut, Wasser und Milch besudelt. Doch am Ende trägt er einen feinen schwarzen Anzug mit weißem Hemd. Jetzt hat er eine Position erreicht, in der er andere die Drecksarbeit machen lassen wird. So geht das Spiel um Macht und Unterwerfung weiter. Der Mensch ist nicht gut, er ist bequem. Das ist die Erkenntnis dieses Abends. Eine die wenig Hoffnung auf Aufklärung und Verbesserung macht.
Ivanow, Schauspielhaus
Vordergründigkeit, wohin man blickt, wenn auch bei diesen Schauspieler:innen immer mit der Ahnung der eigenen Bedeutungslosigkeit unterfüttert. Das ist aller sehr klug, genau beobachtet und mit allen Zwischentönen gespielt.
Protec / Attac, Malersaal
Und dennoch, als Julia Wieninger und Lars Rudolph nach dem Ende des Stückes noch die Erklärung der Intendantin des zerstörten Theaters in Mariupol zum Welttag des Theaters verlesen, kann man auf Weiningers Aufforderung "Sie wissen was Sie jetzt zu tun haben, wenn Sie das Theater verlassen?", nur eindeutig "Nein!" ausrufen.
Coolhaze, Schauspielhaus
Charly Hübner spielt sich selbst, aber auch Charles Bronson und Michael Kohlhaas. Auf so eine irre Zutatenliste kommen nicht viele, die für ein Staatstheater produzieren, aber Studio Braun ist für verrückte Ideen bekannt. Dass sie sich jetzt aber einen Klassiker der Dramenliteratur als Grundlage ausgesucht haben, könnte eventuell doch eine Nummer zu groß sein.
Eine Frau flieht vor einer Nachricht, Schauspielha
Fast ohne Requisiten, nur mit drei Overheadprojektoren und einem klackernden Metronom erschafft er in dem Betonkeller des Malersaals zusammen mit den drei hervorragenden Schauspieler.innen eine Atmosphäre, die ganz eintauchen lässt in den unlösbaren Konflikt dieses Landes. ( © Matthias Horn )
Die Sorglosschlafenden, die Frischaufgeblühten, Sc
"Da wo die Nüchternheit dich verlässt, da ist die Grenze deiner Begeisterung" ist das Credo dieses Abends. Erst wer sich über die Grenze der Schwerkraft hinausheben lässt, erhält so etwas wie Hoffnung und Ausblick. Erst wer die Grenze der Begeisterung durch die Kunst überschreitet, landet in der Welt der Emotionen und des Humors, die über die ernüchternde Realität hinausweist.(Foto: Matthias Horn)
Richard the Kid & the King
Henkel ist eine Interpretation des Stoffes gelungen, die so stringent umgesetzt ist, dass man denken könnte, sie bräuchte nicht unbedingt eine Länge von vier Stunden. Dennoch möchte man keine einzige Minute missen, so lange einen eine Lina Beckmann währenddessen mit ihrer grandiosen Wandlungsfähigkeit beglückt. (© Monika Rittershaus, 2021)
Trutz, Schauspielhaus
Was eine dröge, schwierig zu verstehende Geschichtsstunde hätte werden können, wird zu einem puren Theatervergnügen, nach dessen Besuch man wieder weiß, warum man überhaupt ins Theater geht.© Katrin Ribbe
J'accuse, Schauspielhaus
René Pollesch hat mit diesem kleinen 90-Minüter dem feinen Kunst- und Kulturbetrieb ganz elegant den Spiegel vorgehalten. Wenn dann auch noch eine leibhaftige Kuh auf die Bühne geführt wird und den Schauspieler:innen fast die Show stielt, ist endgültig klar: Der Marktplatz der Eitelkeiten, der Selbstvergewisserung, der vermeintlichen Aufregung ist nicht mehr so aufregend wie gedacht.
Café populaire, Schauspielhaus
Nora Abdel-Maksoud hat ein überaus intelligentes Theaterstück über die Entlarvung der politischen Über-Korrektheit geschrieben, das gnadenlos die Abgründe hinter ihrer gutmenschelnden Fassaden freilegt. Er erwischt sein Publikum genau da, wo es wehtut.
Ellbogen, Schauspielhaus
Das macht Sattler grandios. Nur mit einer Beugung des Oberkörpers, nur mit einer Senkung der Stimme, nur mit einem Verschieben der Mundwinkel wird sekundenschnell klar, wessen Rolle sie jetzt gerade übernimmt. So zeigt sie Hazals Ringen um Würde zwischen Berlin und Istanbul auf eine so bezwingende Art, dass die 90 Minuten auch nicht eine Sekunde langweilig werden.
Kindeswohl, Schauspielhaus
Man fühlt sich an einen Fall von Ferdinand Schirach erinnert. Hier soll Moral verhandelt werden. Eingebettet in eine ganz alltägliche Mid-Life-Ehegeschichte.
Ein Abend mit Herta Müller, Schauspielhaus
Die Zuschauer/Innen erlebten eine Künstlerin, die sich nicht hinter ihrem Werk versteckt. Sie ist eine Frau, die genau weiß, woher sie stammt. Über die intellektuelle und persönliche Herausforderung der eigenen Identitätserkundung weiß sie eine Menge zu erzählen.
Die unendliche Geschichte, Schauspielhaus
Spaan gelingt es trotzdem dank seines perfekt harmonierenden Dreierteams all die Figuren aus dem Buch ohne jeden Kostümwechsel lebendig werden zu lassen. Er belegt mit seiner Inszenierung die Kraft eines Buches, selbst wenn dieses Buch auf einer Bühne vorgelesen und umgesetzt wird. (© Sinje Hasheider)