Am Ende des Tages, Monsun

Am Ende eines Tages, Monsun Schads ensemble


Ein ganz normales Haus

11 Menschen und ein Hund begegnen sich in einem Treppenhaus in einer Großstadt an einer viel befahrenen Straße. Sie wohnen zusammen und versuchen doch jeden Kontakt zu vermeiden. Die alte Frau im Erdgeschoss beobachtet alles nur durch das Guckloch in ihrer Tür und geht nur nach draußen um ihren Hund Gassi zu führen. Der einsame Dicke bringt immer neue Essentüten mit nach Hause, weil er die Leere in seinem Leben mit Tortenstücken zu füllen versucht. Die junge Kunststudentin schaut jeden Tag voll Hoffnung in ihren Briefkasten, weil sie so sehnsüchtig auf einen Nachricht ihres Geliebten wartet und jeden Tag wieder aufs Neue enttäuscht wird. Dabei wohnt dieser Angehimmelte im selben Haus und geht merkwürdigen Tätigkeiten im Keller nach. Dort hört man ihn sägen und hämmern. Körperteile und schwere Säcke werden hin- und hertransportiert. Was geht hier vor? Der Postbote kommt auf seiner täglichen Route vorbei und bestückt die Briefkästen hauptsächlichen mit Werbeprospekten, doch nie mit einer Nachricht für die Studentin. Als es zwischen einer zufälligen Begegnung zwischen dem einsamen Single und dem Postboten kommt, scheint klar: Das lief mal was, doch das scheint vor der Zeit des inzwischen angewachsenen Bauches gewesen zu sein. Zwei Vertreter kommen jeden Tag aufs Neue mit frischem Schwung und ihrem Rollkoffer ins Haus und klingeln vergeblich mit wechselnden Produkten an den Türen, die ihnen vor den Nasen zugeschlagen werden. Als eine ausländische Familie ins Haus einzieht, scheint nicht jeder darüber glücklich zu sein. Die alte Frau entsorgt kurzerhand ihren Müll in deren Briefkasten. Zum Schluss erscheint noch ein sehr geheimnisvoller Gast im Haus, der mit Lampenschaltern Musik anknipsen und in andere Welten versetzen kann.
Das Schads ensemble aus Kiel war zu Gast im Monsuntheater und ließ die Zuschauer etwas ganz besonderes erleben. Sie waren zu Gast in einem Treppenhaus, das zwar so in jedem etwas heruntergekommenen Teil einer Großstadt zu finden sein könnte. Doch hier wohnen wirklich außergewöhnliche Persönlichkeiten. Denn die drei Schauspielerinnen (Elena Schmidt-Arras, Christina Dobirr, Linda Stach) spielen die elf Charaktere, indem sie sich immer neue Masken aufsetzen und ihre Geschichten ganz ohne Worte erzählen. Ein Genre, das auf den Theaterbühnen Hamburg sonst selten zu sehen ist und hier besonders kunstvoll umgesetzt worden ist. Denn die Masken sprechen Bände. Sie charakterisieren die Person, die sie vertreten auf stets sehr markante, prägnante und aussagekräftige Weise. Die Studentin hat ein spitzes vorwitziges Kinn und eine schmale schüchtern wirkende Stirn. Der Angehimmelte hat einen schiefe Mundpartie, die seine attraktive Verwegenheit noch unterstreicht. Der einsame Dicke hat hängende Pausbacken, die von viel Frustessen berichten. Das wissende Gesicht des Flüchtlingsbabys scheint schon viel gesehen zu haben. Es sitzt auf dem Arm der Kopftuch tragende Ehefrau und wird von ihrer Hand bewegt. Dass das SchadsEnsemble für den Maskenbau dieser Produktion mit zwei Künstlern aus einer Flüchtlingsunterkunft zusammengearbeitet hat, macht den Abend noch beeindruckender.
Birgit Schmalmack vom 18.12.17