Fabian oder der Gang vor die Hunde, Monsun Theater


Das Glücksrad surrt

Lust auf eine neue Runde? Das Glücksrad (am Rad in allen weiteren Rollen: Irene Benedict, Flavio Kiener, Lisa Ursula Tschanz) dreht sich. Doch Fabian (Gregor Müller) sitzt abwartend auf der Treppe und ist unschlüssig. So viele anscheinend verlockende Angebote bietet ihm die Großstadt und so wenig Erfolgschancen sieht er für sich. Wohin soll sein Leben gehen? Welches der Angebote soll er annehmen? Zu groß ist ihm die Auswahl. Zu stark seine Angst vor dem Scheitern. Denn er ist ein Mann mit wachen Augen. Er erkennt klar, dass die Moral der Gesellschaft vor die Hunde geht. Lohnt es sich überhaupt sich einzubringen?
Doch dann steht er von seinem Zuschauerplatz auf der Treppe auf und wird hineingerissen in den Rummelplatz dieser Großstadt der zwanziger Jahre. Die Lust am Vergnügen scheint proportional zum Einbrechen der wirtschaftlichen Möglichkeiten zu steigen. Fabian ist studierter Germanist, der sich als Werbetexter verdingen musste, um wenigstens 270 Mark zu verdienen. Doch die sind jetzt auch noch weg: Ihm wurde gekündigt. Gerade als er die aufstrebende, schlaue Cornelia kennen gelernt und sich in sie verliebt hat. So geht er mit den sexsüchtigen Irene Moll mit, gabelt die einsame Reiterin für schnellen Sex auf und hofft zwischendurch mit seinem Freund Stefan, dass sich die Zeiten bald zum Besseren wenden werden. Doch das Geld bestimmt die Moral, das muss er immer wieder erfahren.
Kathrin Mayr inszeniert den Roman von Erich Kästner Fabian in der Fassung von Clemens Mägde als zeitloses Kaleidoskop einer im Absturz befindlichen Gesellschaft, die den Boden unter den Füßen verloren hat. Obwohl Mägde und Mayr die Geschichte aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg nicht dezidiert aktualisieren, erscheint sie überaus modern. Eine erodierende Wertegemeinschaft, die den Glauben an die Möglichkeiten des Aufstiegs, der Gerechtigkeit und der Fairness verloren hat, klingt nach der Auswertung einer soziologischen Studie von 2019. Doch das Glücksspiel geht weiter. Bis zum bitteren Ende.
Birgit Schmalmack vom 29.10.19