Emigranten

Emigranten vom Muttheater

Auf einer Stufe

Auf den ersten Blick haben die Beiden wenig gemeinsam: Der eine ist auf seiner Sofaecke von Büchern umgeben, neben der nackten Matratze des anderen stapeln sich dagegen die leeren Konservendosen. Der eine ist eingewandert, um seinen Gedanken endlich die Freiheit zu geben, die er sich für sein schriftstellerisches Werk immer gewünscht hat. Der andere will einfach nur viel Geld verdienen, um schnell wieder in die alte Heimat zu seiner Familie zurückzukehren. Bei keinem ihrer Gesprächthemen sind sie einer Meinung, dennoch brauchen sie einander, wie im Laufe des gut eineinhalbstündigen Theaterstück von Slawomir Mrozek deutlich wird. Der Intellektuelle braucht den Arbeiter um in ihm sein Symbol der verhassten Unfreiheit immer vor Augen zu haben und der Bauer braucht den Gebildeten, um wenigstens einen Gesprächspartner zu haben, der seine Sprache spricht. Und um sich von ihm aushalten zu lassen. Denn er steckt alle Geldscheine, die er sauer verdient hat, in seinen Teddybären, den er nie aus den Augen lässt.
In dem intensiven Kammerspiel im kleinen Muttheater in Eimsbüttel arbeitet Regisseur Mahmut Canbay mit seinen beiden gut ausgewählten Darstellern (Emrah Demir, Wolf Wempe) die Absurdität dieser Beziehung sorgsam heraus. Es wird klar, dass sich ihre gegenseitigen Abhängigkeiten aus den uneingestandenen Sehnsüchten, Enttäuschungen und Verletzungen der Emigration speisen. Selbst ihre jeweils hochgehaltenen Werte des Geldes und der Freiheit verlieren in der Düsternis des dunkeln Kellerloches zunehmend an Bedeutung. Im Spiegelbild ihres Gegenübers müssen sie allen unangenehmen Fragen und der ungeschönten Realität stellen.
Birgit Schmalmack vom 2.3.15