Hogen Besöök, Ohnsorg Theater


Geld oder Leben?

Güllen ist unter die Räder gekommen. Die Einwohner leben von Hartz IV. Die Globalisierung ist über das Dorf hinweggefegt. Netto-Tüten sind ihre ständigen Begleiter. Doch plötzlich erscheint ein Hoffnungsschimmer am Horizont: Die Milliardärin Claire Zachanassian besucht ihre ehemalige Heimatstadt. „Willkommen Klärchen“ wird sie empfangen. Ihr ehemaliger Geliebter Alfred Ill soll ihr in Erinnerung an alte Zeiten etwas Geld entlocken. Das scheint zunächst zu gelingen. Claire bietet eine Milliarde an, doch nur unter einer Bedingung: Ill muss sterben. An ihm, der sie siebzehnjährig schwanger verleugnet und in die Prostitution getrieben hat, will sie sich endlich rächen. Sie will sich jetzt, da sie es kann, Gerechtigkeit und die Genugtuung für ihren zerstörten Traum von Liebe und Vertrauen erkaufen.
Zunächst weisen die Bürger von Güllen das Angebot der Lady noch entrüstet zurück, doch diese kann warten. Sie weiß, wie die Macht des Geld wirkt. Immer neue Schulden nehmen die Bürger in Erwartung der besseren Zukunft auf. Immer neue Kreditkäufe tätigen sie, so lange, bis sie gar nicht mehr anders können, als sich selbst einzureden, dass alles nur im Namen der Gerechtigkeit und der Ausmerzung eines Verbrechens geschähe und sie ruhigen Gewissens zur Tat schreiten können.
Friedrich Dürrenmatts Stück ist auch oder vielmehr gerade heute in den Zeiten von Börsenspekulationen, Finanzkrisen und Krediteinbrüchen sehr aktuell. Dem Ohnsorg Theater gebührt die Anerkennung, es wieder auf den Spielplan gesetzt zu haben. Es ist als groteske Parabel gedacht, die es wagt ein Gedankenexperiment bis zum blutigen Ende durchzuspielen. Dürrenmatt hatte sein Stück mit allerlei grotesken Elementen vor zu viel pädagogischem Impetus bewahrt. Die skurrile Reihe der Ex-Ehemänner und die Ansammlung an mafiösen Dienstboten hat Regisseur Jens Pesel allerdings fast ganz gestrichen. Als realistisch gespieltes Stück wirken die Dialoge selbst auf Platt oft hölzern und plakativ. Die tollen Schauspieler geben ihr Bestes, ihre Figuren zu lebendigen Personen zu formen, doch will der Funke bei so viel beabsichtigten Lehren nicht richtig überspringen. So fehlt der Grad an Überdrehtheit, der es geschafft hätte, dem Zuschauer eher en passant die klugen Botschaften des Stückes unterzujubeln.
Birgit Schmalmack vom 13.10.15