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Container Paris, Diskothek

Container Paris, Diskothek
Gelungene Parodie der abgedrehten Wirklichkeit

CONTAINER ist in riesengroßen Leuchtbuchstaben auf der Bühne zu lesen. Zwischen ihnen winden sich die Darsteller hindurch auf die Bühne. Sie purzeln aus den Buchstaben wie die Zinsen aus der Renditeskala. Es gehe um die richtige Risikobewertung, verrät der Mann im goldenen Jackett.
Dabei ist eigentlich nur ein Container verschwunden. Der treu-brave Angestellte eines Logistikunternehmens, Hans-Peter Grothe (Julian Kluge), soll den verschwundenen Kasten finden. Die Hinweise auf seinen Verbleib sind sehr diffus. So führt ein verschwundener Container, von dem niemand weiß, was sich in ihm befindet, zu einer Spekulationsaufwallung und damit Renditesteigerung, von der niemand sagen, worauf sie eigentlich beruht. Grothe, der bisher stets seinen jeweiligen Vorgesetzten unterwürfig ergeben gearbeitet hat, sieht seine Stunde gekommen. Da die Vernunft bei diesem Auftrag eh keine Rolle mehr zu spielen scheint, setzt er zum steilen Aufstieg an.
Die Personage von David Gieselmann Stück ist total abgedreht, ebenso sein Thema: die irren Kolportagen des Finanzmarkt in einem galoppierenden globalisierten Kapitalismus. Nicht nur Vertreter von konkurrierenden Unternehmen und des Klerus und ein unter Schlafentzug leidendes, international agierendes Sex-Model (Nina Wolf), das durch die Gegend jettet und ihre Berater schalten sich ein. Alle wollen teil haben an dem Geschäft, das keiner versteht, aber aus dem jeder Kapital zu schlagen versucht. Denn gerade in der Mysteriösität des Geschehens liegt offenbar die Basis für die ins Kraut schießende Spekulationen.
Regisseur Miguel Abrantes findet genau den richtigen Ton, um diese, aus der Realität entnommenen Abstrusitäten auf der Bühne umzusetzen. Mit den Abschlussjahrgangs-Schauspielstudenten hat er genau die richtigen Darsteller dafür. Die junge Truppe bringt die Überdrehtheit der Figuren perfekt zur Geltung. Mit akrobatischem Geschick rutschen, springen, winden, krabbeln sie aus den Buchstaben. Jeder ihrer Sätze wird in Comicmanier inszeniert. Es ist faszinierend ihnen dabei zuzugucken. Den Soundtrack dazu machen die Musiker, die versteckt hinter den Buchstaben sitzen. Obwohl sie kaum Sichtkontakt zu den Schauspielern halten können, liefern sie stets zu den Bewegungen den passenden Sound. Gerade als sich die Überdrehtheit des Geschehens gegen Ende abzunutzen beginnt, schaltet Ostrowski auf die entlarvende Erkenntnis des Abends um, die ganz plötzlich völlig nüchtern daherkommt.
Ein überaus gelungene Inszenierung, bei der Ostrowski zum Glück für alle den Mut bewies dieses Stück so konsequent umzusetzen und genau die richtigen Leute dafür zur Verfügung hatte.
Birgit Schmalmack vom 14.10.19