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tagesspiegel 
 
 

Common Ground, MGT

Ehrlichkeit, bis die Tränen rollen

Vanesa Berbo war 23, als der Krieg ausbrach. Sie war die Discoqueen von Sarajewo und wollte die Stadt nie verlassen. Mateja Meded war vier, als man ihr mitteilte, ihr Vater sei verschwunden. Niemand erklärte ihr, warum er nicht mehr wiederkam. Jasmina Music war fünf, als ihr Vater wichtige Aufgaben übernahm, die ihr ebenfalls nicht erklärt wurden. Aleksandar Radenkovic war sieben, als er zu seinem Schutz nach Deutschland gebracht wurde, während seine Familie in Jugoslawien bombardiert wurde. Dejan Bucin stammt aus einer bosnisch-serbisch-albanisch-montenegrinischen Familie und wusste sich nie zwischen den nun entstehenden Fronten einzuordnen.
Ein Projekt über Ex Jugoslawien wollen die sieben jungen Leute auf Bühne machen. Die Heimatstadt der beiden jungen Frauen ist das Ziel. Hier gab es ein KZ, hier wurden Massengräber entdeckt, hier werden die Leichenteile in einem großen Aufarbeitungsprojekt versucht zu identifizieren.
Die jungen Ex-Jugoslawen sind Serben, bosnische Serben, jüdische Bosnier, muslimische Bosnier. Sie hätten während des Krieges auf verschiedenen Seiten gestanden, wenn sie groß genug dafür gewesen wären. Jetzt leben sie alle in Deutschland, haben deutsche Pässe und arbeiten auf der Bühne zusammen. Geht sie die Vergangenheit noch etwas an?
Vier Jugos, eine Israelin und ein Deutscher brechen auf nach Bosnien. 5 Tage um 5 Jahre Krieg zu verstehen. Das könnte schwierig werden. Doch die Regisseurin Yael Ronen ist solche Schwierigkeiten gewohnt. Ihre Projekte bisher beschäftigten sich stets mit ähnlich konfliktreichen Themen.
Niels Bormann gibt auf der Reise den mäckerigen Deutschen, der nichts versteht, immer pedantisch nachfragt und sich nicht einfühlen kann. Die Israelin Orid Nahmias die Therapeutin, die alle mit ihrem übergroßen Verständnis und vermeintlichen Expertentum nervt. In ihrer ersten Nacht treffen sie sich dann alle in der Hotel Bar, weil sie nicht schlafen können. Im Gespräch mit dem Barkeeper werden die Konflikte offenbar. Jede der Projektteilnehmer ist mit einer anderen historischen Wahrheit groß geworden. Die Standpunkte scheinen unvereinbar.
Auf der Heimfahrt ist Zeit für ein versöhnliches Beieinander. Die Täter- und Opfertöchter sind zu Schwestern geworden. Dejan möchte daran glauben, dass der frühere Geist Jugoslawiens der Gemeinsamkeiten aller Volksgruppen wieder aufleben könnte. Zumindest hier in Deutschland. Denn die Heimat ist da, wo man beruhigt schlafen kann. In Bosnien haben sie kein Auge zugekriegt. Dort sind die Geister der Vergangenheit auf sie gestürzt. Das Kriegsblut ist eben doch Teil ihres Lebenskreislauf.
Tränen werden bei diesem Projekt viele rollen. Jeder der Teilnehmer kommt an einen Punkt, wo er seine tiefe Rührung nicht mehr verbergen kann. Und das Publikum mit ihnen. Das wirkt nie rührselig sondern nur ehrlich. Diese jungen Menschen haben mit ihren Berichten an ihrer ganz persönlichen Aufarbeitung ihrer Geschichte teilhaben lassen, das dankt ihnen das Publikum am Schluss mit Standing Ovations.
Birgit Schmalmack vom 20.10.14