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Höllenspektakel


Der Zugang zum Reich des Todes führt durchs Dixie-Klo. Über den Donnerbalken hinein in das Schattenreich der Torturen, der Kettensägen, des Hürdenlaufens, der Ratten, des Blutes und der Exkremente. Doch auch der Lust und des Orgasmus, der schließlich auch der kleine Tod genannt wird. Naturgemäß ist der Tod auch ein Gleichmacher, entledigt er die Menschen gleichermaßen ihrer Äußerlichkeiten. So sind bei Florentina Holzinger Divine Comdy die Darstellerinnen ihrer Höllenshow alle nackt. Da bei ihr stets nur Frauen auf der Bühne zu sehen sind, also hier lauter weibliche Nackte unterschiedlichen Alters und Statur. Sie proben den Übergang vom Leben zum Tod. Sie machen alles selbst. Sie schwingen die Axt, fahren Motorrad, führen die Kettensäge und bringen sich selbst zum sexuellen Höhepunkt.
Dantes Titel gebende "Göttliche Komödie" beraucht man nicht zu kennen, um Holzingers Komödie zu verstehen, sie spielt hier nur als Ausgangsbasis eine Rolle. Vielmehr geht es um eine Erfahrungsreise. Dass die Frauen auf der Bühne diese tatsächlich durchleben, glaubt man beim Zuschauen sofort. Wenn sie sich mit Farben beschmieren, wenn sie von der Decke baumeln, wenn sie sich von einer Treppe stürzen, wenn sie minutenlang Holzhacken oder mit der Kettensäge hantieren. Existenzielle Momente der Überwindung werden hier am laufenden Band kreiert. Für die Zuschauer:innen allerdings halten sich diese Selbsterfahrungs-Erkenntnisse in Grenzen. Sie schauen dem Geschehen auf der Bühne, das ein Extrem nach dem nächsten erzeugt, wie eine Abfolge von Höllen-Bildern zu. Doch um an den Tod, den ernsten Gesellen zu denken, ist das Ganze viel zu effektvoll arrangiert. Man denkt eher an Stuntshow, an Zirkus, an Sportwettbewerbe als an das Lebensende. Einzig wenn die über achtzigjährige ehemalige Tänzerin Beatrice Cordua im Rollstuhl auf die Bühne geschoben wird, gibt es echte Momente der Rührung. Wenn sie erzählt, dass sie sich mit zwei Toden konfrontiert sah, mit dem als sie mit dem Tanzen aufhören musste und mit dem, der ihr jetzt mit fortschreitender Krankheit droht, spürt man ehrliches Erschauern vor dem Tod. Doch ein Großteil des Publikums in der K6 zeigt sich von der Überwältigungsshow so beeindruckt, dass es in Standing Ovations applaudierte.
Birgit Schmalmack vom 29.8.22