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Clash der Kulturen

Nachruf auf mich selbst, Sprechwerk G2 Baraniak


Im Sprechwerk wird ein etwas anderer als der übliche Clash der Kulturen in Szene gesetzt: Die Kultur des Immer-Schneller, des Immer-Mehr clasht auf die Kultur des Eigentlich-Aufhören-Müssens. Direkt in dieser überaus aktuellen Schmerzpunkt unserer Gesellschaft zielt die Inszenierung von Regisseur Aron H. Matthiasson. Dabei lässt er noch mehr eigentlich Unvereinbares aufeinander treffen: Er mischt die intellektuellen Thesen des Soziologen Harald Welzer mit einem Actionthriller-Stoff, der die Idee von Jules Verne in achtzig Tagen um die Welt zu reisen aufgreift. Modern interpretiert von einem Pärchen, das auf einem gemütlichen Abend mit einem befreundeten Pärchen eine Idee entwicklet: Kann man es in achtzig Tagen um die Welt mit einem alten, etwas altersschwachen, eigenen Auto schaffen bzw. darf man das heutzutage noch wollen?
Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Während das eine Pärchen von einer gemeinsamen Horizonterweiterung durch das Reisen auf dem engen Raum eines Kleinwagens träumt, macht das andere ihnen Vorwürfe wegen der ökologischen Fußabdrucks, den diese Reise verursachen würde. Was darf man sich in Zeiten, in denen der Klimawandel eigentlich nahelegt, jeden Konsum, auch in Hinblick auf das Reisen, zu vermeiden, sich noch vornehmen? Widerspricht das aber nicht dem Wunsch und der Notwendigkeit andere Kulturen kennenzulernen und sich selbst in unbekannten Situationen zu erfahren?
Gespannt und angeregt verfolgen die Premierenzuschauer die Geschehnisse um die vier jungen Leute auf der Bühne. Angereichert mit den theoretischen Überlegungen von Welzer ist es aber auch ein anspruchsvoller und Aufmerksamkeit fordernder Abend geworden. Dass er gelingt, liegt an der klugen Durchmischung der Elemente und des wunderbaren Ensembles mit den jungen spritzigen Darstellerinnen (Yasemin Cec, Christoph Plöhn, Stella Wiemann, Yasin Özen), aber auch dem Schauspieler Holger Umbreit, die die Nebenfiguren mit einer Portion Humor verkörpern. Besonders wenn der Intellektuelle mit seinem wallenden grauen Haar und der Denkerbrille auf die Bühne kommt, meint man Welzer selbst zu sehen. Witzig auch dass auf dem vorderen Nummerschild des Trabbis, der auf der Bühne steht, "Harald" zu lesen ist und auf dem hinteren "What if we fail"? Überhaupt das Bühnenbild. Gekonnt effektvoll und schlicht zugleich. Mit dem Trabbi in der Mitte und zu beiden Seiten Lamellenvorhänge, auf denen die Vorgänge im Auto oder auf der Hinterbühne per Kamera projiziert werden können. Ein gelungener Abend im Rahmen der eigenen Wortgefechte-Reihe, der diesem Motto mehr als gerecht wurde.
Birgit Schmalmack vom 6.9.22