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Recht auf ein würdevolles Ende?

Aus dem Leben, DSH Thomas Aurin


Gehört zu einem selbstbestimmten Leben nicht auch ein selbstbestimmter Tod? Oder darf der Mensch ebenso wenig wie er seinen Anfang bestimmen kann, auch nicht über ein Ende verfügen? Ist beides eine Schicksalsfügung? Doch wie sieht das alles in Zeiten der ständig sich erweiternden technischen Lebensverlängerungsmöglichkeiten aus? Muss jede technische Apparatur auch ausgenutzt werden oder darf der Mensch selbst über ihr Abstellen entscheiden? Über die vorzeitige Beendigung seines Leidens? Über diese Fragen haben sich nicht nur eine Ethikkommission, das Bundesverfassungsgericht und der Bundestag Gedanken gemacht, sondern auch immer mehr Menschen, die auf die ein oder andere Art von dem Thema betroffen sind. Fünf von ihnen treffen sich in einer Art Einsegnungshalle im Malersaal. Er ist dafür mit schallschluckender beigen Teppichware ausgelegt, mit braunen Samtvorhängen von der Außenwelt abgeschirmt und mit idyllischen Naturgemälden an den Wänden geschmückt worden. Nach und nach trudeln die Fünf herein und erzählen ihre Geschichte. Da ist die Sterbebegleiterin, da ist der Berufschullehrer, der Sterbehilfe leistet, da ist der Sohn, dessen Eltern sich zusammen das Leben nahmen, da ist der Sterbenskranke, der seinem Leben freiwillig ein Ende setzen will und schließlich die Hospizpflegerin, die Sterbenden ein würdiges Ende bereitet. Allen geht es genau darum: Die Würde des Menschen bis zu seinem Lebensende zu bewahren. Und über die Bedingungen dafür die Menschen selbst entscheiden zu lassen. Wo das an bürokratische Grenzen stößt, greifen alle Fünf zur Selbsthilfe. Sie loten genau aus, was machbar ist und setzen dies durch.
Karin Beier hat zu diesem wichtigen Thema einen ganz und gar unaufgeregten Theaterabend erschaffen. Beruhend auf Interviews mit Betroffenen lässt sie die fünf Schauspieler:innen (Lina Beckmann, Markus John, Carlo Ljubek, Maximilian Scheidt, Julia Wieninger) zu Expertinnen des Alltags mutieren, die scheinbar autobiographisch von ihren Erfahrungen berichten. Sie inszeniert bewusst ein Laientheater, um den Grad der Authentizität zu steigern. Das sie zum Schluss einen bunten, lauten Umzug mit Blaskapelle und einen großen Festschmaus auf dem Sarg veranstaltet, ist natürlich in Deutschland eine geradezu utopische Wunschvorstellung. Hier würde es schon reichen, wenn das Sterben genau so selbstverständlich und unaufgeregt zum Thema gemacht werden könnte, wie hier im Malersaal.
Birgit Schmalmack vom 15.5.23