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Till Eulenspiegel, Kampnagel



Die Toten der Zukunft

Wie kürzlich aus der Werkstatt Frankensteins Entstiegene taumeln die Bandagierten mit ihren entstellten Maskengesichtern über die Bühne, die mit Pappkartons einer Amazonwelt vollgestellt ist. Sie können nur schlurfen, sich mit gekrümmten Rücken oder mit O-oder X-Beinen fortbewegen. Neben den Tanzmädchen in ihren hautfarbenen Kostümen wirken sie aus der Zeit gefallen. Dem eingängigen Schönheitsstreben widersetzen sie sich zwar, aber ohne Zielrichtung. Sie wirken wie Getriebene, wie Marionetten, aber von wem gesteuert? Vielleicht nur von ihrer eigenen Regellosigkeit? Manchmal kommen aus ihren Mündern seltsame Laute in einem komischen Dialekt. Dann reden sie von "Dil Ulenspugel". Manchmal sprechen sie allerdings auch Englisch miteinander und versprechen sich dann einen strafferen Body und besseren Sex.
Felix Maria Zeppenfeld hat sich in seiner Abschlussinszenierung den kurzweiligen Geschichten um "Till Eugenspiegel" angenommen und daraus eine lockere Performance mit verrenkten Körpern, verrätselten Texten und eingängigen Choreographien gestrickt. Er zeigt Charaktere am Abgrund, die ihren Absturz als Versuch des Fliegens interpretieren wollen. Die vier Schauspieler stürzen sich voller Energie in diesen Parkour der Absurditäten mit hohem Gestaltungswillen, konsequent in ihrer performativen Haltung, die sich jedem Verständnisansatz verweigert. Diese vier Schelme akzeptieren nur die Regeln, die sich für ihr kurzweiliges Spiel selbst auferlegt haben. Sie pfeifen dabei auf Konventionen des Erzählens für ein Gegenüber. Mutig ist so ein Regiekonzept allemal, für die 70 Minuten Dauer interessant genug, aber eher ein Work in Progress, ein Kaleidoskop der Nicht-Festlegung. Ein Schelm, der dabei nach dem Warum fragt.
Birgit Schmalmack vom 8.1.19