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Global Belly, Finn Works



Emanzipation oder Neu-Kolonisierung von Frauen?

Die harmonischen Fotografien in Pastelltönen, die um die weinrote Orchidee voller Blüten auf dem Tisch in der Mitte gruppiert sind, laden zum Wohlfühlen ein. Denn hier werden Wünsche erfüllt. Wünsche nach einem eigenen Kind, selbst für den, der kein eigenes auf die Welt bringen kann. Hier wird ihm zu einer Leihmutter verholfen, die das Kind an Stelle der Wunsch-Mutter austrägt.
Wie weit trägt die Liebe, fragen sich die vier Schauspieler singend, als sich alle Zuschauer um die Orchidee gesetzt haben. Wie weit gehen Menschen für die Liebe zum Kind? Ist sie an die Austragung geknüpft? Darf man sie delegieren? Darf man sich eine Gebärmutter kaufen?
Die Zuschauer werden in Gruppen auf fünf Stationen aufgeteilt. In jeder von ihnen werden sie mit einem Aspekt der Leihmutterschaft konfrontiert, indem sie sich in eine der beteiligten Rollen hineinversetzen müssen. So werden sie einmal zu einer indischen Leihmutter, die von ihrer Ärztin in der Wunschkindklinik betreut werden. Dann lernen sie als Wunscheltern die Familie der Leihmutter an dem großen Wohnzimmertisch kennen. Dann sind sie eingeladen, in der deutschen Botschaft in der Ukraine die notwendigen rechtlichen Schritte durch die dortige Juristin klären zu lassen. Danach setzen sie sich ins Wohnzimmer eines schwulen Pärchens, das sich in den USA die Dienste einer Leihmutter gekauft hat und nun seinen Eltern und Freunden die freudige Botschaft übermittelt. Zum Schluss erleben sie ein Skypeinterview mit der Leiterin einer Leihmutteragentur in den USA mit.
Finn Works hat mit "Global Belly" eine bewegende Performance zu dem brisanten Thema globale Leihmutterschaft eingerichtet. Die Zuschauer werden zu Mitwirkenden. Sie treten in direkten Kontakt mit den unterschiedlichen Positionen. So lernen sie die amerikanische Leihmutter kennen, die für ihr Recht an ihrem Körper streitet. Sie stehen der Juristin gegenüber, die das für die Ausbeutung der armen Frau in Dritteweltländern hält, die von den Reichen in Erstweltländern gekauft werde. Die Vermietung der Gebärmutter sei eine Arbeit ohne Feierabend und Möglichkeit der Distanzierung. Sie hören der indischen Ärztin zu, die darin eine Emanzipationsmöglichkeit von minder gebildeten Frauen sieht, die zum ersten Mal viel Geld selber verdienen und damit ihren Kindern eine bessere Zukunft erarbeiten könnten. Ein äußerst spannender, gut recherchierter Theaterabend, der die Hintergründe dieses brisanten Themas sehr lebensnah umsetzte und direkt miterleben ließ und so vor voreiligen Urteilen schützte.
Birgit Schmalmack vom 16.10.19