Norway.today - Monsun Theater


www.hamburgtheater.de

Der große Fake

"Ich suche jemanden, der mit mir gemeinsam Selbstmord begeht." Mit diesem Ansinnen tritt die kesse Julie auf die Bühne. Eine Lebensmüde hat man anders vorgestellt. Nicht in Minirock, mit hoch toupierten blonden Pferdeschwanz und I-Pod-Stöpseln im Ohr. Eher so wie der schüchterne, ungelenke Einzelgänger August mit schlapperigen T-Shirt und ausgebeulter Hose, der sich tatsächlich angesprochen fühlt und mitten aus dem Publikum zu Julie auf die Bühne kommt. Dennoch scheinen sie etwas gemeinsam zu haben: Sie eint das Gefühl, nicht in diese Gesellschaft zu passen, die immer nur spielt und in der man nie wahr sein darf.

Julie übernimmt die Führung in dem Selbstmordprojekt. Sie weiß, wo es stattfinden soll. Julie und August machen sich auf. Die Motive der beiden sind unterschiedlich: Julie meint schon alles ausgekostet zu haben; August ist dagegen so desillusioniert, dass er nichts mehr erwartet. Zwangsläufig kommen sie sich näher als geplant. Sie geben mehr voneinander preis als sie vorgehabt haben. Sie lassen den anderen in ihre eigenen Abgründe blicken. Zaghaft bleiben ihre Annährungen. Nur im Konjunktiv wagt man sich näher zu kommen. Dabei umtänzeln sich die beiden Darsteller ohne sich zu berühren.

Mit dem I-Pod nehmen sie letzte Worte für die Angehörigen auf. Sie merken, dass sie umso wahrhaftiger klingen je gefakter sie sind. Das Spiel um Wahrhaftigkeit und Show wird unglaubwürdiger. Die Sicherheiten bröckeln. Vielleicht haben sie doch noch nicht mit dem Leben abgeschlossen?

Regisseurin Dagmar Leding verlegt die Julies Kontaktanbahnung vom Internet in die Bühnenrealität. Ein Kniff, der die Lebensfrustrationen der Beiden ganz dicht an die Zuschauer heranholt. Sie hat den starken Text von Igor Bauersima ganz pur auf die Bühne gestellt. Die Bilder müssen im Kopf entstehen. Ihre zwei tollen Darsteller (Johanna Trachsel, Vincent Heppner) vollbringen die Meisterleistung eine Stunde lang mit ihren Gedanken zu fesseln.

Birgit Schmalmack vom 20.3.11