We are camera - Jasonmaterial


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Breitband-Theater

Das Breitbandfilmformat wählte Autor Fritz Kater alias Regisseur Armin Petras für seinen Agententhriller (bzw. Liebesgeschichte oder Familientragödie) zwischen Ost und West "We are camera - Jasonmaterial". "Die Kamera, die sich selbst verstehen lernen will, auf der Suche nach den Dingen, die du bist" - das ist das Motto dieses Theaterfilms. Um 90 Grad gedreht richtet Petras dafür Bühne und Zuschauerreihen aus und gibt so der breit gefächerten Handlung entsprechenden Raum.

Ernst (Peter Moltzen), ein Biologie an einem Forschungsinstitut im Ruhrpott, fährt Silvester 1969 mit seiner Familie, seiner Frau Paula (Natali Selig) und den zwei Kindern Mirco (Hans Löw) und Sonja (Fritzi Haberlandt) überraschend nach Helsinki. Seine bevorstehende Enttarnung als Spion macht eine Flucht in die DDR notwendig. Erst im finnischen Hochhaushotel gesteht Ernst seiner geliebten, jungen und schönen Frau Paula seine sechsjährige Nebentätigkeit. Diesen Vertrauensbruch quittiert sie mit einem Seitensprung mit dem Hotelangestellten (Stephan Johannes Richter), der sich als Spion der Gegenseite herausstellt. Er verliebt sich in sie und bittet sie um die Herausgabe des gefährlichen Materials, das ihr Gatte mit sich führt. Die Lage spitzt sich brenzlig zu.

Nach der Wende sieht man die Familie wieder vereint, doch ihre einstige heitere Glückseligkeit erscheint zerstört. Der Vater ist zum sabbernden Pflegefall geworden und stirbt letztlich nach seiner Verurteilung im Knast. Seine Frau ist ebenfalls um Jahrzehnte gealtert und um einige Hoffnungen und Illusionen ärmer. Die Tochter ist schwanger, aber ohne den dazugehörigen Mann und dem Sohn gelingt es auch nicht mehr die Familienstreitigkeiten mit lockeren Sprüchen zu überdecken.

Petras spart in diesem Familienkaleidoskop nicht an Geschichten, nicht an witzigen Ideen und nicht an schauspielerischem Einsatz. Dafür aber an der Aufwändigkeit des Materials. Papierschnipsel finden z.B. immer wieder neue Verwendung: für den Schnee in Finnland, für das servierte Essen im Hotel, für die Konfettis zur Silvesternacht und für die Erde auf dem Grab von Ernst. Gezeichnete Bühnenbilder, die auf eine Leinwand projiziert werden, ersetzen tatsächliche. Petras zappt beim Erzählen in dem Zeitraum von 1969 bis 1993 ständig mit schnellen Schnitten hin und her. Um den Zuschauer dennoch nicht allzu sehr zu verwirren, läuft ein digitales Band mit der Datum- und Zeitangabe mit und erleichtert das Zurechtfinden. So sind sie nicht nur auf die unterschiedlichen Mützen, Haartrachten und Brillenfassungen als Orientierung bezüglich des Alters der Personen angewiesen.

Von einem etwaigen technischen Perfektionsanspruch, der mittlerweile beim Film angestrebt wird, distanziert sich Petras in vielerlei Hinsicht: Die bewusst materialsparende Umsetzung seiner Einfälle verhindert dies ebenso wie das offene Mitarbeiten der Schauspieler an der Licht-, Ton- und Bühnengestaltung. Wohlwissend wird dabei in Kauf genommen, dass ab und zu ein Eindruck des Unfertigen und Sprunghaften entsteht. Bei den Zuschauern überwog zum Schluss aber eindeutig die Freude an der Wandlungsfähigkeit und Spielfreude der Darsteller.

Birgit Schmalmack vom 23.12.03