Heiliges Land


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Weiße Westen

"Wir waschen uns die Hände rein.." Die beiden rotnasigen und dickbäuchigen Trunkenbolde singen am stilvollen, gläsernen Wassertrog und reiben sich den Dreck und ihre vermeintliche Schuld von ihren Händen. Nach durchzechter Nacht beklagen beide eine Gedächtnislücke, einen "Totalen Filmriss". So können sie leicht aufgrund einiger Indizien glauben, dass sie im Vollrausch einen Mord begangen haben.

Peter Franke und Christian Redl spielen die beiden Verdächtigen mit so großer Präzision in der Darstellung ihrer Lächerlichkeit dass sie nie in die Nähe von Klamauk kommen. Unter der sensiblen Regie von Ulrich Waller am St. Pauli Theater wird die Komik mit Sinn fürs perfekte Timing zur angemessenen Geltung gebracht. Waller nutzt Eugene Labiches Demontierung der bürgerlichen Fassaden in seinem Stück "Die Affäre Rue der Lourcine" mit viel Fingerspitzengefühl. Er belässt es in seinem historischen Zusammenhang und verzichtet auf eine bemühte Aktualisierung. Schon die Bühnenrückwand mit den zig erleuchteten Wohnzimmerlampen lässt die zarte Ironisierung erahnen. Als Einrichtung reicht das drehbare Art-Deco-Bett mit dem angebautem Sofa und der Anrichte für alle Situationen des Stückes. Wenn der Handlungsstrang allzu offensichtlich wird, lässt Waller die Schauspieler in zarten, flirrenden Tönen ätherische Lieder mehrstimmig vortragen. Sie geben der Handlung eine feine Note der Skurrilität. Die Bühne und ihre geschickt akzentuierte Beleuchtung lässt vieles bewusst im Dunklen und kann so hintergründige Akzente zur Geltung kommen lassen.

Der Charme der Inszenierung entfaltet sich jedoch nicht gleich in den ersten Minuten. Als Zuschauer muss man sich erst auf diese besondere Atmosphäre einlassen. Für diejenigen, die sich die Zeit zum Einstimmen gönnen, wird der Abend zu einem Gewinn. Waller macht es nämlich sich und seinen Zuschauern nicht leicht: Er bedient kein Schubladendenken. Sowohl diejenigen, die eine Klamotte zum Schenkelklopfen wie auch diejenigen, die tiefschürfende Gesellschaftskritik erwartet hatten, wurden enttäuscht. Stattdessen bot er ihnen einfach exzellentes Schauspielertheater.

Birgit Schmalmack vom 12.4.05