Volksnahe Wissenschaftler

Wie zwei sympathische, knuddelige Gartenzwerge stehen die Gebrüder Grimm mit ihren dicken Bäuchen und strubbeligen Haaren händchenhaltend auf der kargen Bühne. Ihre besondere Beziehung, die eigenbrötlerisch und ganz der Arbeit verhaftet ist, wird durch dieses Bild gut illustriert. Sie sind anerkannte Sprachwissenschaftler, arbeitsame, pedantische Märchenarchivare, die Arbeits- und Lehraufträge von Kassel über Göttingen nach Berlin führen, und weltabgewandte, kauzige Sonderlinge. Um sich nicht ständig beim Arbeiten durch das Leben stören zu lassen, schaffen sie sich eine Ehefrau für die Belange der alltäglichen Versorgung an. Diese darf sich natürlich nicht zwischen das älteste Paar der ganzen Umgebung drängen: Die Verbindung zwischen Jakob und Wilhelm wird sämtliche anderen überdauern. Ihre ständigen Kabbeleien und "Kümmelspaltereien" sind nur ein Ausdruck für ihre herzliche Zuneigung zueinander.

Die beiden Herren spielen ihr seltsames Einsiedler-Pärchen sorgsam nuanciert und mit Sinn für die selbstreflexiven Untertöne. Martin Lüttge überzeugt als unbeholfener, granteliger und doch liebevoller Hagestolz. Norbert Kentrup gibt sein pragmatischeres, offeneres Gegenüber. Sie zeigen die Brüder im Auf und Ab ihrer beruflichen Laufbahn, in den politischen Wirren des deutschen Vormärzes und in ihren zaghaften Kommunikationsversuchen mit der übrigen Welt.

Leider lotet Regie von Jürgen Kloth nicht nur diese zahlreichen und interessanten Aspekte der Beiden in den turbulenten Zeiten aus, sondern versucht sie durch märchenhafte Einschübe von herumflirrende Damen (Marlen Breitinger, Dagmar Papula) in wallenden Glitzer-Schleiergewändern in gespenstisch blauen, grünen oder rotem Licht zu bereichern. Die Krönung der volkstümlichen Dekorationen ist der Umzugssong, bei dem die Herren in Arbeitermontur anlässlich der jeweiligen Ortswechsel die wenigen Möbelstücke wippend und tänzelnd durch die Gegend werfen und dazu ein sehr gefälliges Liedchen trällern. Das sorgt zwar für Erheiterung im Publikum und bestärkt die volksnahe Note, verflacht aber auch die spannenden Inhalte und die beeindruckenden Leistungen der beiden Hauptdarsteller

Birgit Schmalmack vom 4.10.02