Sommernachtstraum


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Klebrige Fallstricke der Liebe

Ganz aus dem für die vorgesehenen Rahmen der gesellschaftlichen Normen gefallen sind die drei liebesverwirrten Paare im "Sommernachtstraum". Hermia (Edith Adam) liebt nicht den von ihrem Vater für sie ausgesuchten Demetrius sondern Lysander (Ben Daniel Jöhnk). Helena (Mira Bartuschek) wiederum will unbedingt den Demetrius (Bjarne Mädel) haben. Auch das Fürstenpaar Theseus und Hippolyta gerät kurz vor ihrer geplanten Hochzeit auf erotische Abwege.

Zwischen leeren goldenen Bilderrahmen auf der ansonsten schwarzen Bühne bewegen sich die Paare traumverloren durch die klebrigen Fallstricke der Liebe, die der Puck (Bernd Moss) mit seinem Meister Oberon (Peter Lohmeyer) ausgelegt hat. Mit seinen Elfenhelfern verwandeln sie den Bilderwald in ein Reich des Tesafilms. Diese Idee des Regieteams Julian Crouch und Graeme Gilmour erweist sich als genial und trägt fast das ganze Stück. Doch für das erwiesener Maßen äußerst haltbare Klebeband (die gewichtige Elfenkönigin Sabine Orleans legt sich in eine Tesafilmhängematte zum Schlafen) sind die drei Stunden doch etwas zu lang. Da mögen die Bilder noch so schön sein. Wenn das glitzernde Bett der Königin gesponnen wird, wenn die Liebespaare in einen Lianenklebebandwald eingesponnen werden, wenn sie in Tesafilmnebelschwaden herumirren, ist das äußerst eindrucksvoll. Noch schöner wird es sogar, wenn das Regie-Duo die Bewohner des geheimnisvollen Waldes als Klebebandkreationen erscheinen lassen. Diese filigranen Gebilde aus dem schillernden Band sind einfach traumhaft.

Dass die Regie sich aber allzu eng an Shakespeare halten wollte und die Amüsements der Handwerker für die anstehende Hochzeit des Fürsten detailgetreu und -verliebt mit Zutaten aus dem Korbflechterkunstgewerbe in aller Länge, Plattheit und mit allzu stark intendierten Lachern ausbreiten wollte, sprengt selbst den sorgsam verklebten Tesafilmrahmen. Das ist schade um die einfach geniale, hervorragende, tragende Klebe-Idee, die so zu starken Belastungen ausgesetzt ist.

So wurde dieser Verwirrungsklassiker zwar etwas zu wörtlich genommen und mit zu viel ernsthafter Genauigkeit in der Sache "Shakespearsche Volksunterhaltung" umgesetzt, doch zum Ausgleich haben Crouch und Gilmour den allgegenwärtigen Puck mit Bernd Moss besetzt haben. Der Große erweist sich überraschend ideale Besetzung für das kleine Teufelchen, das im Wald seine Spielchen treibt. Lemurenhaft hockt er sich auf die Rahmen, wie ein schelmischer Kobold huscht er um die Waldbesucher, wie ein vorwitziger Geck konspiriert er mit seinem Herrn Oberon. Barfüßig in engem, löcherigem Lederoutfit, kahlköpfig und mit ironischem Schmunzeln um die Lippen bereichert er mit jedem Auftritt die Szenerie und gibt dem Abend ebenso viel Halt wie die Alltagsklebefolie.

Birgit Schmalmack vom 12.4.02