Onkel Wanja


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Traurige Clowns

Onkel Wanja ist ein großer trauriger Clown mit einer Fellmütze, die ihm von Zeit zu Zeit über die Augen rutscht, und mit viel zu großen Hosen, über die er leicht ins Stolpern geraten kann. Im Birkenwäldchen, das als Flattervorhang von der Decke hängt, ist leicht die Orientierung zu verlieren, genau wie in seinem Leben. Jahrelang hat er mit der Gutsherrentochter Sonja für den fernen großen Professor, den berühmten Wissenschaftler geschuftet. Alle Einnahmen wurden ihm treu und brav zur Verfügung gestellt. Der Professor, der mit seiner zweiten jungen Frau Jelena neuerdings das Gut mit seiner Anwesenheit beehrt, bringt die Gutsgesellschaft gehörig durcheinander. Während Sonja und Wanja vorher brav ihren landwirtschaftlichen Geschäften nachgegangen sind und in ihrem Tagwerk unterstützt wurden von der alten Amme und Wanjas Mutter und manchmal aufgeheitert wurden durch gelegentliche Besuche vom Arzt Astrow, so lassen sie im Moment die Arbeit liegen und widmen sich im Verbund mit dem hochherrschaftlichen Besuch dem Müßiggang. Astrow leistet ihnen im Nichtstun ebenfalls Gesellschaft, denn er ist vollauf mit seinem Werben um Jelena beschäftigt. Da auch Wanja in Liebe zu der schönen Frau entbrannt ist, erscheint ihm die Arbeit neuerdings eher unwichtig. Sonja wiederum wird durch die ständige Anwesenheit Astrows immer wieder auf schmerzlichste an ihre Gefühle ihm gegenüber erinnert. Sie muss sich der Erkenntnis stellen, dass ihre Sehnsüchte und Wünsche gänzlich ohne Aussicht auf Erfüllung sind.

Auch die anderen Bewohner des Gutes gehören mit zur Clownsfamilie mit ihren weißen Mündern und schwarzen hochgezogen Augenbrauen. Alle sind sie in beige oder weiß gekleidet. Eine naturfarbene Uniformität hat ihnen das Landleben angelegt. Individualität ist hier nur in engem Rahmen gefragt. Nachdem das Birkenwäldchen in den Bühenhimmel entschwunden ist, agieren sie in einer glatten, rein weißen Bühne, die ihr naturverbundenes Outfit konterkariert. Nur die bunten Gartenstühle, auf denen sie ihren Müßiggang pflegen, ergeben ein paar Farbflecke. Nach der Pause sind diese Stühle wie zu einem Scheiterhaufen aufgeschichtet.

Jörg Pose stattet Wanja zugleich mit Sehnsucht, Enttäuschung und Wärme aus. Als er erkennen muss, dass seine treue Ergebenheit zum Professor schamlos ausgenutzt worden ist, gestattet er sich einen kurzen, intensiven Ausbruch von Wut, der sich in dem Stühlehaufen entlädt. Alexander Simon gibt Astrow Idealismus, Witz und Herz. Natali Seelig spielt die Jelena als kluge, schöne und traurige Frau, die schwer an ihrem Irrtum trägt, ihre frühere Bewunderung für den Professor mit Liebe verwechselt zu haben. Und Lisa Hagemeister brilliert als Sonja. Sie spielt die treu sorgende und - schaffende Gutstochter als braves Mädchen, das nur einmal wagte ihren Anspruch auf ein wenig Glück in ihrer Liebe zu Astrow zu erhoffen und damit kläglich scheitert. Mooshammer ist ein wunderbar verträumter, knatteriger, alter Professor.

Aus der Ferne betrachten wir ihr absonderliches Leben, lachen ein wenig über ihre Ungeschicklichkeiten und ertappen uns doch dabei, dass uns ihre traurige Geschichte genauso rührt wie die Vorstellung eines guten Clowns. Durch diese Sichtweise auf diese Menschen schafft es Kriegenburg dem Tschechow-Text, von dem man ahnt oder weiß, dass die Aktionsrate der Beteiligten gen null streben wird, eine unterhaltsamere Note zu geben. Dass sie trotzdem rührt, liegt an den tollen Schauspielern, die ihren Rollen allesamt das nötige Herzblut geben.

Birgit Schmalmack vom 8.5.08