Dona nobis pacem


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Ein der Erde entrückendes Ballett

Dem Himmel ein Stück näher bringt sein Publikum John Neumeier mit dem Abend "Dona nobis pacem". Eine riesige schiefe Ebene vom Bühnenboden bis in den Bühnenhimmel, die im unteren Bereich mit schwarzen Platten belegt und im oberen nur noch die Gerüststangen zeigt, deutet den beschwerlichen Weg des Menschen zu Gott an. Zu Beginn rollen aus dichten Nebelschwaden Adam und Eva zu "Air" von Bach die Straße vom oben herunter. Immer wieder werden die Menschen während des fast vierstündiges Stückes versuchen den verlorenen Zugang zu Höherem zu erlangen.

Ausschnitte der drei sakralen Choreographien "Magnificat", "Messias" und "Requiem" verbindet Neumeier zu einem wunderbaren, berührenden Ganzen. Als gemeinsame Elemente wählt er das weiße Hemd des Messias, das von Heather Jurgensen von Teil zu Teil mitgenommen wird, und einen archaisch anmutenden Steinkreis, der auf der Bühnenrand ausgelegt ist.

Während der Torturen des Messias im letzten Teil, den Lyold Riggins berührend intensiv auf der Rampe in einsamen Schmerz zeigt, sitzen jeansblaue, junge Leute in einer Stuhlreihe uninteressiert am Rand. Nur ab und zu heben sie den Kopf, wenn sie eine Sensation wittern. Doch das Leid lässt sie kalt. Als Riggins ohne Regung zusammengekauert zusammensinkt, zeigen sie was sie eigentlich gefangen nimmt: Ein hektisches Gerangel zuerst um Richtungen, Beeinflussungen, Meinungen und später um die Stühle als Lebensraum setzt ein. Der "Struggle for life" lässt keinen Raum für Mitleid und Menschliches - ganz zu schweigen für Göttliches.

Am Ende des Abends versammelt sich zu dem Titel gebenden Choral von Bach eine weißgekleidete Menschengruppe dicht gedrängt in der Mitte. Geduckte Menschen, in dunkle Mänteln und Decken gehüllt, schreiten derweil den äußeren Steinkreis mit bloßen Füßen vorsichtig ab. Sie durchqueren einzeln die helle Gruppe. Eine der Erleuchteten hält einen Mann im schwarzen Umhang fest. Ein erstauntes Leuchten breitet sich über sein Gesicht aus.

Ein erfüllendes Erlebnis ist dieses Ballett, das der Hamburger Choreograph zum dreißigjährigen Jubiläum präsentiert. Diese Erbauung à la Neumeier begeistert rundum. Wunderschöne Musik, eindrucksvolle Bilder und ein leistungsstarkes Ensemble mit herausragenden Solisten.

Birgit Schmalmack vom 15.3.04