In jedem Anfang liegt schon das Ende

...sagt Gino (Felix Klare) zu seiner großen Liebe Ninon. Erst kurz währt ihr gemeinsames Glück, da erfährt die 24-Jährige, dass sie den HIV-Virus sich durch einen One-Night-Stand am Strand eingefangen hat. Brigitte Landes erzählt ihre Geschichte im Malersaal als Gratwanderung zwischen abgrundtiefer Traurigkeit des baldigen Sterbens und der leichten, humorvollen Leichtigkeit des Lebens. Mit den wunderbaren Schauspielern gelingt es ihr ohne jede Sentimentalität, die Geschichte eines Anfangs, in der schon das Ende liegt, mit wenigen, unaufwendigen Mitteln zwischen die roh belassenen Betonmauern zu bringen.

Eine mediterrane Stimmung erzeugt ein Sammelsurium an Bistrostühlen um einen langen Tisch und ein altes Ruderboot, abgelegt in Büscheln von Seegras (Bühne: Paul Lerchbaumer). Das Liebespaar entdeckt das große Gefühl der Liebe, in das sie sich fallen lassen, bis zur Entdeckung der Erkrankung Ninons. Nie zuvor hätte sie wohl so dringend jemanden zum Festhalten gebraucht, aber sie will Gino nicht wiedersehen, um ihn zu schützen. Doch Gino ist entschlossen - jetzt erst recht wird er sie heiraten. Die Falle des Kitsches scheint fast unumgänglich, doch Landes kommt nicht einmal in ihre Nähe.

Nach dem Roman von John Berger berichtet der Abend von den gemischten Gefühlen der Gäste, die "Auf dem Weg zur Hochzeit" aus Bratislava und aus Frankreich zur Feier in einen kleinen Ort in Italien direkt am Meer anreisen. Ihr Weg führt sie entlang des Flusses Po, der als Orientierungshilfe als Sandspur auf den Boden des Malersaales gestreut wird. Das besorgt der Erzähler (Samuel Finzi), der bei Bedarf gekonnt in viele Nebenrollen zu schlüpfen vermag. Landes belässt die Erzählstruktur des Buches. Finzi führt souverän durch die Erinnerungen, denen die Gäste und das Hochzeitspaar nachgehen, während sie ihre Reise dem Zielort immer näher bringt.

Die hervorragenden Darsteller erzeugen einen locker humorvollen Ton, der stets den traurigen Abgrund des baldigen Endes mit anklingen lässt. Der Musiker Rob Sartorius unterstützt mit seinen leicht ironischen Musikeinspielungen punktgenau die Stimmung.

Parycia Ziolkowska brilliert in ihrer Rolle der Ninon. In ihrer Stimme liegen zugleich der Wille zur Stärke und die Lust, sich ins Bett zu legen, die Decke über den Kopf zu ziehen und nur noch zu heulen. Doch statt der Tränen lässt sie ein trauriges Lachen herausrollen.

Mit Sinn für mit leichter eingestreuter Hand eingestreutem Humor, der die traurige Grundstimmung nie überdecken will schafft es diese Aufführung ohne melodramatische Momente, die bei diesem Thema verführerisch nahe gelegen hätten, eine anrührende Nachdenklichkeit über die Lebenszeit und ihre (Er-) Füllung zu erzeugen.

Birgit Schmalmack vom 31.3.02