Lightshow mit Countrymusic

Unter roten, hängenden Ulmenzweigen vor malerisch weitem Himmel mit stetig sich drehendem Windrad steht eine kleine Bretterbude wie ein offen einsehbares Puppenhaus (Bühne: Steffi Bruhn). Das ist die Farm von Ephraim (Michael Altmann), die ihm den Neid aller einbringt. Sie ist der offensichtliche Zankapfel in dem Stück "Desire" von Eugene O'Neill, das am Samstag im Thalia Theater Premiere hatte.

Der alte Farmbesitzer hat sich eine sehr junge, dritte Ehefrau (Judith Rosmair) besorgt, um der Einsamkeit zu entgehen. Doch diese hat es nur auf seine Farm abgesehen. Um ihren neuen Ehemann stärker an sich zu binden, verspricht sie ihm einen Sohn. Damit dieses Vorhaben auch tatsächlich umgesetzt werden kann, verführt sie nicht nur den Alten sondern auch seinen hübschen Sohn Eben (Andreas Pietschmann). Was als Berechnung begann, entwickelt sich bei beiden zu Liebe. Doch als der Vater Verdacht schöpft, rächt er sich, indem er seinem Sohn einflüstert, dass Abbie nur ein eiskaltes, berechnendes Wesen sei. Um Eben ihre Liebe zu beweisen, tötet die junge Frau ihr neugeborenes Kind. Beide werden festgenommen und dem Richter vorgeführt.

Jürgen Kruse inszeniert diese aktionsreiche Geschichte mit Liebe zum Detail und zur aufwendigen Gestaltung. Viele Wäschestücke sind quer über die Bühne und den Zuschauerraum gespannt. Selbst der Wasserbottich und das Spinnrad sind wirkungsvoll illuminiert. Die Dielen des Häuschens scheinen zu schweben, wenn sie von unten angestrahlt werden. Die beiden älteren Söhne des Alten (Benjamin Utzrerath, Clemens Dönicke) sind in Hippielatzhosen und mit Langmähne angetan. Die verzweifelten Gestalten auf der Bühne bauen immer wieder nette amerikanische Sprüche ein, um sich und das Publikum aufzuheitern. In regelmäßigen Abständen erschallt ein amerikanischer Song aus der Feder von Jonny Cash oder Bob Dylan, um eine ländliche, beschauliche oder traurige Atmosphäre zu erzeugen. Viele liebevolle Ideen, die Sinn für Phantasie ausdrücken, doch die Aspekte des Stückes nur mit detektivischem Gespür auffindbar werden lassen.

Dabei besitzt diese Story viele. Ephraim ist ein gläubiger Mann, der meint, dass nur die Härte zu sich selbst von Gott belohnt werden würde. Alles Weiche ist ihm ein Gräuel. Doch immer wieder muss er leider feststellen, dass ihm etwas zu fehlen scheint: Wärme und Verständnis findet er nur bei seinen Kühen im Stall. Alle Übrigen scheinen es nur auf das Materielle abgesehen zu haben. Eben vertraut lediglich auf den baldigen Tod seines Vaters, sein Erbe und verharrt ansonsten in Untätigkeit. Ebenso Abbie, die endlich für etwas Eigenes und nicht mehr für Andere arbeiten möchte. Als Frau hat sie im New England um 1850 wohl keine andere Wahl, als auf eine gute Partie zu setzen und sei es ein alter Mann, der ihr außer einer Farm und einem granitbestückten Grund und Boden nichts bieten kann.

Jürgen Kruse scheint diese gefühlsbetonte Geschichte so unzeitgemäß und moralschwer zu sein, dass er sie lieber als Traum hinter einer schönen Dekorationsgardine und unter einen stimmungsvollen Klangteppich verstecken wollte.

Birgit Schmalmack vom 23.3.02