Unergründliche Botschaften des Lebens

Wie Sterne im Weltall tauchen die Geschichten in David Greigs Theaterstück "Die letzte Botschaft des Kosmonauten an die Frau, die er einst in der ehemaligen Sowjetunion liebte" auf. Einige sind etwas länger am Firmament der unaufwändig gestalteten Bühne der Musikhochschule zu beobachten und andere zucken wie kleine Sternschnuppen kurz vorbei. Dem Zuschauer bleibt es ganz überlassen, welche er interessant findet und näherer Betrachtung zukommen lassen will.

Da ist zu einen die Geschichte des einsamen Kosmonauten Kasimir, der in seiner Raumkapsel seit 12 Jahren über der Erde kreist. Er denkt an seine kleine Tochter, seine ehemalige Geliebte und seine verpassten Lebenschancen. Sein kleines Mädchen Nastassja ist inzwischen eine junge Frau geworden, die mit ehrgeizigen Plänen ihre Schönheit für eine Schauspielerkarriere nutzen will. Wenn sie jemanden braucht, an den sie denken kann, sieht sie nach oben und spricht mit ihrem Vater im Himmel.

Da ist Erik, der höfliche, perfekt englisch sprechende, norwegische Diplomat, der ständig in wichtiger Mission um die Erde jettet. Er weiß, dass man sich von seinen Träumen lösen muss. Doch um das zu schaffen, müsse man sie sich erst einmal erfüllen und dann festzustelllen, dass sie eigentlich nichts wert seien. Da ist die langweilige Ehefrau Vivienne mit ihrem langweiligen Mann Keith. Interessant wird ihr Leben erst, als Keith verschwindet und sich seine Frau aus dem Fernsehsessel aufrafft, um ihn zu suchen.

Einige dieser Personen treffen während der Entwicklungen des Stückes aufeinander und ihre Geschichten scheinen kurzfristig zu einer zu werden. Doch bald darauf stellen sie fest, dass sie doch nur einsame Einzelwesen bleiben auf ihrem unergründlichen Weg durch ihr Leben.

Gibt es dabei jemanden, der ihnen dabei zuguckt? Der Kosmonaut wünscht sich jemandem, der ihm zuhört. Als sein Funkkontakt endgültig abbricht, bleibt ihm nur noch sein Logbuch, um seine Botschaften an die Erdlinge zu senden. Doch auch dieses wird mit ihm verglühen, wenn er seine Sprengladungen zündet. Seine letzte Botschaft wird nur der kleine Feuerball am Himmel sein. Wird seine Tochter, die immer wieder nach ihm Ausschau hält und eigentlich kein Rückmeldung zu brauchen scheint, dieses Signal bemerken und sich ihres Zuhörers beraubt fühlen?

Die Kommunikation scheint nicht immer Sprache nötig zu haben. Das Ehepaar ist zwar der selben Sprache mächtig. Doch erst mit dem nur französisch sprechenden Ufo-Sucher Bernard kann Vivienne reden. Nastassja und Erik versichern sich zwar immer wieder, dass sie genau so dächten wie der andere, doch wenn Erik seine aggressive, egoistische, erfolgsgewohnte Weltanschauung dann im Einzelnen erläutert, träumt Natassja schon wieder von ihrem Vater. Mit ihm gibt es keine Kommunikation, aber das ist unerheblich für seine Bedeutung in ihrem Denken.

Der Thalia-erprobte Regisseur Christian Schlüter lässt die einzelnen Ebenen der Geschichten geschickt ineinander greifen, indem er die Personen doppelt besetzt und gleichzeitig oder in fließenden Übergängen auf den zwei schrägen Bühnenteilen spielen lässt. Dass dieses sensible Regiekonzept aufgeht, liegt an den hervorragenden Schauspielern. Besonders Joanna Kitzl und Yuri Englert fallen durch ihre souveräne, variantenreiche und intensive Darstellung auf. Glänzend verstehen sie es, ihren Personen Leben einzuhauchen. Kitzls Natassja ist eine starke Frau, die ihren Charme gekonnt einsetzt, um sich die Männer gefügig zu machen. Sie vermittelt den Eindruck alles zu geben und behält dabei alles Wichtige für sich. Englerts Erik ist ein machtgeiler, diplomatischer, äußerlicher Manipulierer, der sich ein schöne Frau als scheinbar ehrliches Traumobjekt leistet. Die stets zögernde, zurückhaltende, treue Ehefrau von Katrin Hansmeier, deren meist gebrauchtes Wort "Entschuldigung" zu sein scheint, ist ebenfalls sehenswert.

Um das Eingangsbild noch weiter zu strapazieren: Diese Talente sollten keine Sternschuppen bleiben sondern haben aufmerksamere Beobachtung am Theaterhimmel verdient.

Birgit Schmalmack vom 4.4.02