Mir geht's okay

Fünf junge Menschen in schicken, pastellfarbenen Businessmänteln umkreisen sich auf weißem Plastikuntergrund in einer Gummizelle, die in diesem Fall mit schallgedämpften Filz statt mit Kunststoff bezogen ist. Die Zuschauer teilen sich mit ihnen diesen abgeschlossenen Raum in der K2 auf Kampnagel und beobachten ihre Versuche auf einem Personalberatungs-Seminar in einem Hotel am Meer nicht allzu schlecht abzuschneiden. Ihr Unternehmen, das in der Musikbranche tätig ist, hat keine Kosten gescheut um den Wünschen und Bedürfnissen seiner Angestellten auf die Schliche zu kommen. Dass gleichzeitig eine Rentabilitätssteigerung und Qualitätsüberprüfung mit von Interesse sein dürfte, ist auch den Ausgefragten klar. Sie befinden sich nun in der Zwickmühle entweder als leichtfertige und unbedarfte Plaudertaschen oder als unkooperative Blocker zu gelten. Und nicht nur die angeheuerten Frager müssen im Blick behalten werden, auch die Kollegen entwickeln eine konkurrierende und missgünstige Neugier, die sich schädlich auswirken könnte. Ein situationsangemessener Wechsel der Strategien ist also angebracht: Mal geht man miteinander einen trinken, mal miteinander ins Bett, mal zeigt man lautstark seine Grenzen, mal gibt man lässig ein Geheimnis preis, das nicht in den Akten steht, mal lässt man all seinem Alltagsfrust freien Lauf, mal ergeht man sich in Lobeshymnen über die Arbeit...

Regisseur Gian Manuel Rau verwandelt das Zweipersonenstück "Mainstream" von David Greig in ein Experimentfeld der verschiedenen Figuren, Gefühle und Interpretationen. Er lässt fünf Schauspieler (Kristina Brons, Claudia Fenner, Lara Körte, Martin Engler und Michael Hasenfuss) in ständig wechselnden Rollen zusammengeschnittene Szenen in vielen Variationen durchspielen. Das setzen sie mit erstaunlicher Intensität und Ausdrucksstärke um, wenn auch ihr Einfühlen in die jeweilige Figur und in deren momentane Sichtweise nur ein kurzer Einblick bleiben kann. Diese Versuchsanordnung über ein Theaterstück kann viele überaus aktuelle Gedankenanstöße aufzeigen, muss aber das Manko einer interessierten, aber distanziert bleibenden Haltung zu den Personen in Kauf nehmen. Sind auch die Zuschauer in die Gummi/Filzzelle der Inspektionen mit eingeschlossen, kommt ein Beteiligtsein an den Gefühlen der Macht und Ohnmacht, der Überlegenheit und Abhängigkeit doch stets nur kurzfristig auf. Dagegen können sie streng analysierend der Frage nachgehen, ob das Erwerbsleben nun mehr Selbstverwirklichung, Selbstdarstellung oder Selbstbetrug ist.

Birgit Schmalmack vom 23.10.02