Amys Welt

...hieß die Zeitung, die sich Amys Vater, der Maler Bernand, für seine kleine Tochter ausgedacht und in liebevoller Kleinarbeit mit dem Setzkasten für sie zusammengestellt hatte. Ihr Vater ist nun schon 15 Jahre tot und Amy ist erwachsen geworden. Sie (Jeanette Arndt) stellt ihren neuen Freund, den intellektuellen Journalisten Dominique (Stephan Benson) ihrer Mutter (Doris Kunstmann) vor. Sie ist stolz von ihm, der von der Damenwelt umschwärmt wird, erwählt worden zu sein. Sie ist von seinen Theorien, die sie nie ganz zufriedenstellend versteht, beeindruckt und hofft darauf, dass ihre selbstlose Liebe von ihm honoriert werden wird. Ihre Mutter fürchtet den Einfluss des dominanten, ihr ebenbürtigen Konkurrenten. Denn gegensätzlicher könnten die Positionen und Überzeugungen der beiden nicht sein. Esme ahnt, dass sie gegen die Liebe zu diesem Mann den kürzeren ziehen muss.

Sie ist eine Theaterschauspielerin des alten Schlages. Voll Überzeugung und Enthusiasmus schält sie die verschiedenen Schichten ihrer Rollen sorgsam heraus. Dominique hält das für hoffnungslos veraltet. Das Theaterpublikum sterbe aus. Der Film sei das Medium der Zukunft. Seine schnellen Schnitte, sein Bilderreichtum, seine visuellen Möglichkeiten entsprächen dem Geschmack des Publikums von heute und morgen.

Leider gibt ihm die weitere Entwicklung recht: Esme wird arbeitslos. Nur noch bei Wohltätigkeitsbasaren auf dem Lande kann sie ihre Show abziehen und Bewunderung ernten. Aus Geldnot sinkt sie sogar so tief, dass sie gezwungen ist in einer Krankenhaussoap mitzuwirken. Dominique steigt dagegen zum erfolgreichen Medienzar auf.

"Amys Welt" in der Regie von Volker Lechtenbrink am Ernst-Deutsch- Theater setzt Dominiques Thesen allerdings außer Kraft: Eine interessante Geschichte sorgt auch heute noch für spannendes Theater, wenn sie auf den Punkt genau und mit Liebe zum Detail umgesetzt wird. Auch wenn sich das Theater seit den Zeiten von David Shares Text geändert hat, sorgt die packende Geschichte um das konfliktträchtige Dreiecksgespann für zwei Stunden volle Aufmerksamkeit. Psychologisch ausgefeilt und mit starken Persönlichkeiten besetzt fasziniert die Live- Performance auf der Bühne auch in medienverwöhnten Zeiten immer noch.

Birgit Schmalmack vom 21.2.05