Cabaret


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Cabaret - ein Meisterstück

Der Kit Kat-Club, eine Glitzerwelt im Berlin der auslaufenden zwanziger Jahre. Hier dürfen die Zuschauer alle ihre Sorgen hinter sich lassen und sich dem schönen, unbeschwerten Vergnügen hingeben. So empfiehlt es allabendlich der rundliche Conferencier (Gustav Peter Wöhler) seinem verehrten Publikum. Die schöne Sängerin Sally Bold ist Teil dieser Showwelt. Wo ihr eigenes Leben anfängt, hat sie schon längst vergessen. Zusammen mit dem mittellosen, aber charmanten, amerikanischen Schriftsteller wagt sie den Gedanken an eine gemeinsame Familie. Doch die "Troubles" brechen donnernd in die Glitzerwelt herein. Die roten Armbinden mit dem schwarzen Kreuz darauf über den Mänteln der aufrechten Deutschen sind kaum zu übersehen.

Regisseur Ulrich Waller lässt sein Publikum im St.Pauli-Theater sehr lange in der beruhigenden Gewissheit, dass er ihnen eine nette Liebesgeschichte hinter den Kulissen des Showbizz erzählen wird. Er streut sogar noch eine zweite mit ein. Die ältliche brave Pensionswirtin Frl. Schneider (Elisabeth Schwarz) bändelt mit dem Gemüsehändler Herrn Scholz (Peter Franke) an. Doch die Dekoration für deren Verlobungsfeier lässt aufhorchen. Eng nebeneinander hängende Bananenstauden werden von der Decke herabgelassen. Der Platz für die tanzenden, trinkenden, feiernden Gäste ist äußerst begrenzt, ständig stoßen sie an die gelben Plastikgestrüppe. Ein Stundenmädchen (Anne Weber) will ein Ständchen vorbringen. Mit glockenheller Stimme gibt sie ein Heimatlied zum Besten, in das nach und nach alle Anwesenden mit einer Lobhymne auf das Vaterland einstimmen. Alle, bis den jüdischen Gemüsehändler, seine Verlobte, Sally und der Amerikaner, sind plötzlich einer Gemeinschaft geworden, die alle, die anders sind, zu Ausgestoßenen erklärt. Ein schauerlicher Moment, in der die Inszenierung gekonnt die Stimmung von einem Augenblick auf den nächsten kippen lässt. Nichts ist mehr wie vorher. Die Wahrnehmung verändert sich. Plötzlich kann auch das Lächeln des gelackten Conferencier nur noch als maliziös und bösartig empfunden werden. Seinen letzten Satz seines letzten Songs "Come to the..." vollendet er nicht. Stattdessen richtet er seinen Blick angstvoll in den Bühnenhimmel. Wir Spätergeborenen wissen was Deutschland noch zu erwarten hatte.

Grandioses Meisterstück von Regisseur Waller, das Schauer über den Rücken der Zuschauer laufen lässt.

Birgit Schmalmack vom 14.11.05