Biedermann und die Brandstifter


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Machs noch frischer...,

... peppiger, ironischer, witziger, effektvoller, direkter schien sich Sebastian Hartmann bei Frisch' Klassiker "Biedermann und die Brandstifter" zu denken. Der Spruch auf dem T-Shirt des Feuerwehrmannes "Mach's Frisch" reichte ihm für seine Inszenierung im Schauspielhaus nicht. Wenn schon ein Lehrstück, dann aber richtig angefüllt mit ethiktriefenden, plakativen Aussagen zur Erbauung und zu Erhöhung des Spaßpegels mit mehr oder weniger witzigen, spritzigen Ideen.

Und davon gibt es viele: Sein Herr Biedermann (Peter René Lüdicke) agiert seine mit Reichtum übertünchte Unsicherheit im feinsten Hamburg in einem Bungalow direkt an der Alster aus. A la Jerry Lewis stolziert und hechtet er zwischen Sofa und Springbrunnen hin und her. Ausgestattet ist sein Heim mit der neuesten Überwachungstechnik: Mit Kameras ist ständig Einblick zu nehmen in den Flur, die Küche und das Schlafzimmer. Seine diensteifrige Hausangestellte Anna (Artemis Chalkidou) ist eine in Deutschland geborene Griechin mit Abitur, aber ohne deutschen Pass. Leider hat sie ihn vor dem Umzug nach Hamburg in München beantragt und muss nun erneut drei Jahre Bearbeitungszeit einkalkulieren. Biedermanns Frau Babette (Cordelia Wege) ist eine sich räkelnde Dame im durchsichtigen Negilé, die hauptsächlich ihre Figur zu Geltung bringen darf. Bei ihr ist dies netter anzusehen als bei dem Eindringling Schmitz (Thomas Lawinky), der über weite Strecken nur in Unterhosen auf der Bühne verweilen darf, um mit seinem männlichen Ringeraussehen Angst beim furchtsamen Biedermann zu erzeugen. Die Benzinfässer auf dem Dachboden, die Schmitz und sein Kumpane Eisenring (Guido Lambrecht) einquartieren, sind bei Hartmann Asylanten, die am Schluss sein Haus besetzen und ihn vertreiben. Ein Traum lässt Biedermann als Cowboy unter amerikanischer Flagge gegen das Böse in den Kampf vor Videoeinspielungen mit Kampfeinsätzen aus "Apocalypse Now" reiten. Frau Biedermann und wird beim schlaflosen Wälzen im Lotterbett von Nebelschwaden wie beim Exorzisten in die Höhe gehoben.

Und falls wir es immer noch nicht kapiert haben, welche Botschaft der Regisseur uns damit sagen wollte, prangt zum guten Schluss, als Ehepaar Biedermann nach Verlust ihrer Erdenheimstatt im Weltall ankommt, über ihnen in roten Leuchtlettern "Brandstifter".

Ironischer konnte man die in vielen Deutschstunden durchinterpretierten Aussagen von Frisch nicht mehr konterkarieren. Wer bei Hartmann noch Interpretationshilfen für seine Sichtweise der Verantwortlichkeiten der heutigen Spießerbrandstifter brauchte, der konnte nur eingeschlafen sein während der Vorstellung. Doch auch daran hatte Hartmann gedacht: Immer sorgen plötzliche lautstarke Musikeinspielungen oder Auseinandersetzungen im Hause Biedermann für Aufmerksamkeitsschübe.

Vielleicht wollte Hartmann dieses Stück, von dem er im Vorwege seiner Inszenierung bekannt gab, dass er nicht möge, mit allen Anmerkungen füllen, die er immer schon einmal loswerden wollte. So konnte Schmitz während der Vorstellung mit Zuschauern hart ins Gericht gehen: "Das finde ich echt Scheiße, dass du unsere Vorstellung störst. Geh doch und lass uns in Ruhe weiter spielen." Dann fiel ihm ein: "Oder warte bis zur Pause, nur noch drei Minuten." Babette wusste es besser: "Fünf!"

Birgit Schmalmack vom 21.5.02