Prinzessinnendrama


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Warten auf den Märchenprinzen

Frauen warten immer noch auf ihren Märchenprinzen, selbst wenn sie wie bei Elfriede Jelinek in ihren "Prinzessinnendramen" selbst Prinzessinnen sind, die erfolgreich genug wären, um ihr eigenes Schicksal zu bestimmen. An Hand der alten Märchengestalten Schneewittchen und Dornröschen, die sixh bei ihr trotz ihres reifen Alters in den modernen Medienlandschaften der Hochglanzillustrierten, der Talkrunden und Gewinnshows erstaunlich gut auskennen, rollt sie die Klischees der schlafenden, wartenden Frau und des wachküssenden, rettenden Mannes wieder auf und stellt sie in gewohnter Weise in Frage. Die zypriotische, von Schubert vertonte Prinzessin Rosamunde macht die Dritte im Bunde und bereichert ihn um den Aspekt der etwaigen Intellektualität der Frau. In Zwiegesprächen mit ihrem jeweiligen männlichen Gegenüber erörtern die Frauen die Unmöglichkeit der gleichzeitigen Selbstfindung und einer gewünschten, intensiven Beziehung mit dem anderen Geschlecht. Sobald die Frau dem Manne erlaubt sich ihr zu nähern, fühlt dieser sich als Gott und Erwecker der Frau und unterdrückt jede andersartige Deutung. Will sie gar noch eine erfüllte Sexualität beanspruchen, gerät sie in Konflikt mit seinen erobernden Mannesvorstellungen. Hat sie dann eventuell auch noch intellektuelle Interessen, denen sie selbstbestimmt nachgehen möchte, zieht das zwangsläufig das "selbstgewählte", fundamental-feministische Singledasein aus Überzeugung nach sich.

In drei, durch kleine Pausen getrennte Episoden stellt Regisseur Laurent Chétouane diese Dialoge ohne jede Zutaten und Verstehhilfen auf die leicht schräge Ebene, die hinter einem schwarzen Abgrenzungsrahmen die Bühne des ansonsten nackten Malersaals ausfüllt. Kaum ohne Bewegung stellen die sechs Schauspieler den Jelinektext in den kahlen Raum. Ganz auf die Interpretation der Darsteller angewiesen lauschen die Zuschauer der Eloquenz der Jelinek, die mit allerlei Wortspielereien, philosophischen Andeutungen, emanzipatorischen Parolen und trendigen Mediensprüchen angereichert ist.

Der mittlere Teil zeigt, wie spannend auch der reine Text gespielt werden kann. Ursula Lardi lotet die Zerrissenheit ihrer Frauenfigur bis in jede Kopfbewegung aus. Bei ihr gewinnt Dornröschen eine Vielschichtigkeit, die man ihr nie zugetraut hätte. Lardi vermag die immer noch spannenden Momente der Fragestellung des Stückes zu zeigen. Frauen von heute wollen so viel und erreichen doch manchmal wenig. Auch Dornröschen landet durch ihren etwas blassen Prinzen (Florian Lange) in der Horizontalen, selbstverständlich unter ihrem Erwecker, der endlich das Tier im Manne herauslassen darf. Chétouane lässt sie dazu beide (ganz nach dem Willen der Autorin und nicht gerade mit subtiler Bildsprache) in ein Hasenkostüm schlüpfen und kräftig rammeln. Ursula Doll als Schneewittchen bleibt dagegen zu sehr im weinerlichen Selbstmitleid stecken. Ihr Partner, der Tod im Jägerkleid, (Martin Bross) symbolisiert etwas stoisch und eindimensional die Macht der Uniform plus Waffe. Marlen Diekhoff darf als Rosamunde bloß die bemitleidenswerte, alternde, eitle Schriftstellerin geben, in der man die Autorin selbst mit etlichen traurigen Selbsterkenntnissen zu hören meint. Sebastian Weber als sich ihr anbietender männlicher Führer und Lustknabe müht sich nach Kräften ein wenig Bewegung und Dramatik in die Selbstbeweihräucherung der Erfolgsfrau zu bringen, die aber so vom Leben enttäuscht ist, dass ihr der Blick auf anderes als ihr Ich verstellt ist.

Interessante Aspekte, die der um sich selbst kreisende Text der Jelinek zu bieten gehabt hätte, lässt diese Inszenierung erahnen. Ein wenig mehr selbstbewusste Eingriffe des Regisseurs hätte er gut vertragen können. So bleibt er über weite Strecken im emanzipatorisch und philosophisch angehauchten Sprachspielereien stecken, die in den Achtzigern vielleicht noch einen Diskussionsanreiz hätten bieten können.

Birgit Schmalmack vom 11.01.03