Kabale und Liebe


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Du und ich und die Liebe...

...,das muss und doch reichen, meint Ferdinand (Felix Knopp) verzweifelt und beschwörend zu seiner Luise (Fritzi Haberlandt). Doch Schillers "Kabale und Liebe" zeigt, dass die Liebe nicht im luftleeren Raum existiert, sondern von den gesellschaftlichen Bedingungen abhängig ist. Das muss auch das Liebespaar im Thalia Theater leidvoll erfahren.

Thalheimer gelingt in seiner Inszenierung eine zeitlose Übertragung des Stoffes. Bei ihm werden die für Schiller zentralen Themen der Ehre, der Jungfräulichkeit, der höfischen Konventionen und des Standesdünkels zur Nebensache. Er belässt sie nur insoweit, wie sie für den Fortgang des Grundgerüstes der Handlung nötig sind.

Eine Liebe braucht eigentlich sorgsame Pflege durch wahrhaftige Kommunikation. Doch die Personen, die hier Kabale und Liebe betreiben, sprechen nur für sich selbst. Thalheimer lässt sie alle ihre Äußerungen als Egodarstellung gestalten. Für ihr Gegenüber rattern sie zwar ihren Text herunter, aber einen Blick gönnen sie dem Anderen nicht. Wenn sich Emotionen mal durch ihren Masken Bahn brechen, zeigen sie sich in wütenden, Grimassen schneidenden oder handgreiflichen Ausbrüchen. Umarmungen oder Küsse dienen hier nicht Ausdruck der Zärtlichkeit sondern des gewaltsamen Übergriffes. Doch wie sehr sie sich auch anstrengen, sie können damit ihre vermeintlichen Gesprächpartner nicht rühren und erreichen.

Während alle Übrigen sich noch dem Versuch der Schein-Kommunikation unterziehen, spart sich Luise mittlerweile diese unnötige Anstrengung: Stoisch bewahrt sie ihre gefasste, aufrechte Haltung und beweist ihre Stärke in der Aufgabe ihres Liebestraumes mit Ferdinand, der ihr immer noch beschwörend und flehend von der möglichen Flucht vorschwärmt. Sie hat längst die einzig mögliche Realität erkannt und akzeptiert. Da können Ferdinand oder der sich alternativ anbietende Wurm (Hans Löw) noch so sehr die Hände nach ihr ausstrecken, sie bleibt unberührt und unerreichbar für sie.

Thalheimer befreit den Schillerklassiker von allem, was aus heutiger Sicht für Distanz sorgen könnte, und holt ihn so dicht an das Heute der Zuschauer heran. Zeitlos zeigt er das Scheitern der Liebe, wenn jeder seiner eigener Illusion nachgeht. Jeder dieser Menschen auf dem Ego-Trip spielt seine eigene Realität. Braucht er dazu Mitspieler, die leider ebenso beschäftigt sind, muss sein Vorhaben scheitern. Der Präsident (Peter Kurth) spielt sein Vater-Sohn-Macht-Spiel. Ferdinand sein Einzige-Liebe-Spiel. Vater Miller (Norman Hacker) spielt sein Bürgerlich-Untergebener-Spiel mit eingebundener Tochter. Mutter Miller (Anna Steffens) spielt das Brave-Ehefrau-Spiel. Wurm spielt das Intriganten-Spiel. Und Lady Milford (die wunderbare Susanne Wolff) spielt ihr (leider viel zu kurzes) Haltung!!-Spiel. Keiner kommt an die innere Wahrheit des Anderen heran. Alle laufen sie ins Leere und landen stets bei sich selbst und ihrer unaufbrechbaren Einsamkeit. Klug und durchdacht analysiert Thalheimer die Illusionsgeschichte einer Liebe und ihrer hinderlicher Begleitumstände. Die hervorragenden Schauspielern des Thaliaensembles, die jeder Geste, jedem Ton, jeder Mimik, jeder Bewegung mit sicherem Können zum gezielten Ausdruck verhelfen, machen seine Interpretation zu einem spannenden Theatererlebnis.

Birgit Schmalmack vom 10.5.02

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