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Großstadtleben

Wie leben Menschen in der heutigen Großstadt? Zwei Erzählungen berichten unter dem Titel "Familienleben" im Thalia in der Gaußstraße davon. Lothar Trolle zeichnet in seiner Erzählung "Die Heimarbeiterin" das Porträt einer jungen schwangeren Frau, die zwischen den Diarahmen, die sie in Heimarbeit fertigt, ihr Kind bekommt. Sie blickt es lange ratlos an, wickelt es schließlich in Zeitungspapier, steckt es in eine Plastiktüte und vergräbt es im nächstgelegenen Park. Sie unternimmt einige hilflose Versuch mit Vorbeikommenden in Kommunikation zu treten, doch sie scheitern ausnahmslos.

Ingeborg Bachmann berichtet in ihrer Kurzgeschichte "Alles" von einem Ehepaar, das gemeinsam ein Kind bekommt. Ungeplant zwar, aber dennoch in froher und gespannter Erwartung. Doch der Vater hatte sich mehr von seinem Kind erhofft, als es leisten kann. Er wollte in ihm einen ersten, reinen Menschen aufwachsen sehen, der anders wird als alle anderen. Doch er muss erkennen, dass sein Sohn genau so sich entwickelt wie er selbst, seine Frau und die anderen Menschen um ihn herum. In diesem Moment verliert er das Interesse an seinem Sohn und zunehmend den Kontakt zu seiner Frau. Als sein Sohn durch seinen Schulunfall stirbt, verfällt seine Frau in ein tiefes Schweigen. Nur noch der weite Bogen der Trauer verbindet die beiden Eheleute, die zwar in einer Wohnung aber in getrennten Gedankenräumen leben.

Einsamkeit - auch zu zweit - ist das Thema des Abends, den Regisseur Frank Abt inszeniert hat. Er verknüpft die beiden Erzählungen, die chronologisch erzählend vorgetragen werden, indem er die Heimarbeiterin (Pia Hansen) auf den Vater (Maximilian Grill) treffen und seiner Ehefrau werden lässt. Die Biographien werden austauschbar. Doch das ändert nichts an der tiefen Einsamkeit und Unerreichbarkeit der Personen.

Auf der kleinen Probebühne in den hinteren Räumlichkeiten der Gaußstraße hat (Sophie Domenz) eine Bühne im 90 Grad-Winkel gebaut. Eine frontal einzublickende Einzimmerwohnung und an der Seitenwand ein schmaler Streifen mit feinem Strandsand. Er könnte zum Spielen und Sonnen einladen, doch er bietet nur Platz für zwei schmale Gartenstühle, auf die sich die beiden Darsteller hocken. Die sehr zurückgenommene Spielweise der beiden Schauspieler, die hauptsächlich auf die Wiedergabe des Erzähltextes beschränkt ist, macht es nicht ganz leicht von den Texten berührt zu werden. Trotz der räumlichen Nähe des Bühnengeschehen bleiben die Geschichten eher Berichte, die aus der Distanz beobachtet werden.

Birgit Schmalmack vom 9.1.06