Komik. Gegenwartsdramatik


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Auf der Suche nach Gefühlen

Komik in der Gegenwartsdramatik war das Thema für das Studienprojekt III im Thalia in der Gaußstraße. Es kann als voller Erfolg gewertet werden. Selten waren so viele junge Regie- und Schauspielertalente gleichzeitig an einem Ort zu bewundern.

Auf der Grenze zwischen und Komik und Tragik balancieren die meisten der gezeigten Projekte. Die menschlichen Handlungen verführen zwar in der theatralischen Umsetzung und Beobachtung den Zuschauer zum Lachen, verweisen aber stets auf die metaphorische Ebene, genau so wie der Mustersohn Elvis im "Menschenzoo" es altklug anmerkte. Unter der Regie von Christiane Eder stellen hier zwei Ehepaare ihr Wunderwunschkind, ihren als Hausmensch gehaltenen Exoten und schließlich sich selbst in einem kleinen Käfig (Bühne: Martina Stoian) aus. Der Wunderknabe, der bei Bedarf wie ein Lexikon zu jeweiligen Begriffen auswendig gelernte Erklärungen abschnurren kann, beobachtet die Erwachsenen, wie sie merkwürdige Spielchen miteinander spielen: Zuerst eines namens "Small Talk", das aber stets von plötzlichen Beleidigungen oder von unangenehmen Schweigepausen gestört wird und danach ein tantrisches Selbsterfahrungsritual der nackten Körper. Eine mutige und konsequente Arbeit, die mit der hervorragenden Besetzung (Constanze Pfeifer, Jan Byl, Max Mayer, Thomas Butteweg, Constanze Priester, Henning Pfeifer) alle Klippen der Peinlichkeit umschiffte.

Wahrhafte Komiker (Oscar Diaz, Marios Ramos, Anne-Lotta Liebnau) hatte Marta Gil Polo für ihren "Dreier" in einem riesigen Federbett versammelt. Sie lassen das Stück um einen durch seinen besten Freund betrogenen Ehemann, das schon aus einer Inszenierung im Malersaal bekannt war, in einem anderen, weniger mysteriösen dafür umso witzigeren Licht erscheinen.

Einen ganz anderen Weg ging schon durch ihre Stückauswahl Silke Kosbü: "Raststätte oder sie machen es alle" von Elfriede Jelinek. Hier blieb das Lachen im Halse stecken. Wie hätte man auch das Kopulationsstück auf einer Autobahnraststätte zu einer Komödie machen wollen. So wurde es zu einer künstlerisch sehr ambitionierten Inszenierung, die aber weit den Rahmen der vorgegebenen Zeit einer Stunde sprengte.

Schlicht beeindruckend ist dagegen die Arbeit von Katrin Spranger, die sich die Geschichte "Hund Frau Mann" von Sybille Berg vornahm. Mit sieben fahrbaren, hochkant aufgerichteten Matratzen machte sie daraus ein Beziehungsdrama, das durch die bissigen Kommentare des obdachlosen, von dem Paar aufgenommenen Hundes (Felix Ströbel) und die verzweifelten Versuche des Mannes (Martin Dorr) und der Frau (Alette Hinrichs) ein Stück vom Lebensglück zu erhaschen beklemmend komische Elemente erhielt.

In "Genie und Verbrechen" unter der Regie von Regina Dyr gelingt dieser Balanceakt nicht ganz. In einem heruntergekommenen Hotelzimmer mit Fahrstuhl und Dusche wollen zwei männliche Kleinganoven ihre verdeckten Gefühle entdecken und geraten in die Fänge von zwei Power-Frauen, die endlich die Macht und die Waffen in den Händen halten wollen. Was zunächst wie eine Komödie um zwei Loser daher kommt, gerät zeitweise zu einem unentschlossenen Mix aus Klamauk und Thriller.

Roger Vontobel zeigt mit seine Sichtweise auf "Herr Kolpert" das Highlight der zwei Abende. Mit seiner intelligenten Regieführung, der exzellenten Besetzung und der stetigen Brechung der Geschichte spielt er bis zum Schluss mit doppeltem Boden. Ein offensichtlich sehr schickes, erfolgreiches, modernes Ehepaar (Sophie Hottinger, Dominik Maringer) bringt einen Menschen um, weil es endlich mal wieder etwas fühlen möchte. Da an diesem Abend aber ein befreundetes Paar (Julia Nachtmann, Michael Ransburg) zu Besuch kommt, beginnt das Spiel um Wahrheit und Vertuschung. Vontobel benutzt dazu variantenreich eine nur virtuell inszenierte Wirklichkeit, die z.B. Wärme durch projiziertes Kaminfeuer, Getränke durch mikrophonverstärkte Schluckgeräusche und Öffentlichkeit durch eine übertragene Fernsehshow aus dem eigenen Wohnzimmer vortäuscht. Er leitet geschickt immer wieder in die Irre, nicht nur das eingeladene Ehepaar sondern auch die begeisterten Zuschauer.

Birgit Schmalmack vom 24.3.04

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