Menschenfeind


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Hautnahe Charakterstudien

Bühnengroß ist das milde lächelnde Gesicht von Philinte (Helmut Mooshammer) auf der rechten Seite zu sehen. Bühnengroß steht auf der linken das von Wutfalten durchzogene, mit roten Flecken übersäte Gesicht Alcestes (Jörg Pose) daneben. Philinte rät seinem Freund Alceste: Nimm die Menschen, wie sie sind. Sei doch mal diplomatisch, sag nicht so schonungslos die Wahrheit. Doch Alceste hält dagegen: Ich lüge nicht. Das wäre Heuchelei.

Um die schöne Celimène (Judith Hofmann) scharen sich die Aspiranten auf den Platz an ihrer Seite. Sie flattert von einem zum anderen und lässt sich von allen liebkosen. Doch Alceste hat sich in den Kopf gesetzt, die auch von ihm hoch Verehrte vor der Schlechtigkeit ihrer Umgebung zu erretten. Leider ganz ohne ihre Einwilligung, wie er zum Schluss feststellen muss. Während er am liebsten mit ihr auf eine einsame Insel fliehen möchte, zieht sie die zahlreichen oberflächlichen Liebeleien bei weitem der ausschließlichen Zweisamkeit mit ihm vor.

Andreas Kriegenburg konzentriert sich in seiner dichten Inszenierung des Moliere-Stoffes im Thalia in der Gaußstraße ganz auf zwei Elemente: Einmal auf die hautnahe Charakterstudien, in denen die Kamera ihnen schamlos dicht auf den Poren rückt, und zum zweiten auf den Tango. Als Schattenrisse vor den sprechenden Live-Porträts tändelt die Party-Gesellschaft in Tangoschritten auf der Parkettbühne umeinander. Dieser Ausdruck erotischer Spiels bei strikter Rollenverteilung zwischen Mann und Frau setzt gekonnt den Stoff in Bewegung um. Kriegenburgs Konzept geht auf: Eine hochkonzentrierte, stringente, spannende Sicht auf den "Menschenfeind".

Birgit Schmalmack vom 26.3.09