Zu "Electric Ballroom":

Ins sichere Innere fliehen

Die drei Frauen stehen in ihrem schwarzen Haus ohne Fenster eng nebeneinander und piksen kichernd mit den Fingern in die Sahnetorte. Nun haben sie alle drei etwas gemeinsam: eine enttäuschte Hoffnung auf Liebe. Auch die junge Ada (Annette Paulmann) hat nun die Lehre der beiden älteren Frauen (Hildegard Schmahl, Barbara Nüsse gelernt. War es vorher eine theoretische Erkenntnis, die die beiden Lebenserfahreneren ihr weiter geben wollten, die Ada aber nicht wahrhaben mochte, so ist sie jetzt durchlittene Praxi: Die zarte Annäherung an der Fischauslieferer Patsy (Hans Cremer) ist kläglich gescheitert. Zu stark hat bei beiden das Leben auf der einsamen Insel schon die Fähigkeiten das Schöne zu sehen und zu genießen beschädigt. Dabei bleibt interpretierbar, was die beiden älteren Frauen beabsichtigen, indem sie den fischigen Patsy, den sie sonst immer fortschickten, in einen umjubelten Star im Glitzeranzug verwandelten. Planten sie die schmerzliche Erkenntnis für Ada, um sie zu einer ihresgleichen zu machen oder wollten sie ihr tatsächlich zu einem Glück außerhalb der engen Mauern des Hauses verhelfen? Letzteres wohl kaum, wollten sie sie doch stets von dem Draußen bewahren und sie in einem sicheren Inneren schützen.

Das Gastspiel aus München im Thaila Theater wurde zu einem bejubelten Wiedersehen mit den in Hamburg wohl bekannten Schauspielern und dem Hausregisseur Stephan Kimmig. Das Publikum mochte sie kaum gehen lassen; immer wieder holte es sie mit tosendem Beifall auf die Bühne.

Birgit Schmalmack vom 14.6.05

Zu "Alkestis":

Lebenswertes Leben

Admetos muss sterben. Es sei denn, er findet jemand, der statt seiner in den Tod geht. Der erfolgreiche Geschäftsmann und treusorgende Vorbildvater denkt sofort an seinen eigenen Erzeuger, der nach dem Tod seiner Frau alleine lebt. Sein Vater, der nur noch kurze Zeit auf Erden hat, soll für ihn in den Tod gehen. Doch der freut sich seiner Tage und lehnt den Todestrank ab. Einzig Admetos Frau Alkestis liebt ihren Mann so uneigennützig, dass sie für ihn zu sterben bereit ist.

Armin Petras hat das griechische Drama von Euripides in die ostdeutsche Gegenwart verlegt. Bei ihm ist der Ehemann ein egoistisches, arrogantes Wesen, das den Freitod der Ehefrau, die zwei Kinder zurücklässt, wohl kaum verdient hat. Auch Herakles ist bei Petras nicht der strahlende Held. Er kommt als biersaufender Prolet auf die Szenerie. Doch er ist es, der Alkestis unter Einsatz all seiner kraftstrotzenden Männlichkeit aus Reich der Unterwelt zurückholt. Petras hinterfragt die landläufigen Vorstellung von Moral und wertvollem Leben auf unterhaltsame Weise. In einer amorphen rosa Sofalandschaft agierte die starke Darstellertruppe aus Leipzig, die anlässlich der Autorentheatertage im Thalia in der Gaußstraße ein sehenswertes Gastspiel gab.

Birgit Schmalmack vom 9.6.05