Wallenstein


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Die Experten für die Wirklichkeit

Das Rimini Protokoll arbeitet mit den Wirklichkeitsexperten. Sie gehen davon aus, dass das Leben die besten Geschichten schreibt. Sie lassen Laiendarsteller erzählen. Dass das sogar klappt, wenn das Thema der Schiller- Text "Wallenstein" ist, bewiesen sie in ihrer Inszenierung, die in einer Kooperation des Nationaltheaters Weimar und Mannheim zustande kam. Im Thalia in der Gaußstraße feierte die Aufführung ein begeistert aufgenommenes Gastspiel.

Vielschichtig nähern sie sich dem Thema Gefolgschaft, Krieg, Macht und Niederlage. Die Geschichten der Beteiligten verschränken sich zu einem differenzierten Bild, das betrofffen macht. Der Kriegsteilnehmer Robert Helfert schildert seine Kriegserlebnisse. Der Leiter einer Polizeidirektion Ralf Kirsten erzählt von seiner Lebensentscheidung für die Liebe und gegen die Karriere in der DDR-Polizei. Dr. Sven Otto berichtet selbstironisch von seinem Aufgang und Fall in dem schmutzigen Geschäft der Politik. Der ehemalige Bundeswehroffiziersanwärter Hagen Reich führt die Ohnmacht der Militärs in UN-Einsätzen vor. Die beiden Vietnam-Veteranen Dave Blalock und Stephen Summers halten ein eindrückliches Plädoyer gegen den Krieg. Zwischendurch erhält die Leiterin einer Seitensprungagentur Rita Mischereit immer wieder Anrufe von Menschen auf der Suche nach etwas sexueller Abwechselung.

Die authentischen Erzählungen geben Einblicke in die Realität, die keiner fiktionalen Zuspitzung mehr bedürfen. Am Schluss kommt man nicht umhin zuzugeben, dass die unaufgeregte Darstellung der Wirklichkeit mit leibhaftigen Menschen mehr gegen den Krieg im Allgemeinen und den Irak-Krieg im Besonderen aussagte als die schreienden Botschaften einer Jelinek in "Babel".

Birgit Schmalmack vom 6.6.06