Ich mach ja doch, was ich will


Kritik
von
abendblatt
mopo
welt


Biedere Unkonformität

Dominique Horwitz kommt in Jeans und Jackett in den Zuschauerraum der Kammerspiele. Er klettert auf die Bühne und zieht sich vor dem noch geschlossenen Vorhang um: Er streift sich die Hose ab und die schwarzen Seidenstrümpfe plus Rock über. Über die pastellfarbene Bluse kommt eine Perlenkette. Auf seinen Kopf eine weißhaarige Perücke. Mit der zum Schluss angelegten, biederen, türkisfarbenen Schürze hat er sich vollends in Charlotte von Malzdorf verwandelt. Einem Tranvestit, der in Ostberlin die Nazizeit überlebt und ein Gründerzeitmuseum errichtet hat. Doch Horwitz ist nicht nur Charlotte, die naiv mit gutmütiger Mine und brav verschränkten Armen aus ihrem Leben berichtet, sondern spielt auch noch rund dreißig andere Rollen in "Ich mach ja doch was ich will". Unter anderem auch den amerikanischen Schriftsteller und Journalisten Doug Wrights, der dieses Stück über sie geschrieben hat. Mit breitem amerikanischen Akzent berichtet der seinem Freund immer wieder von seiner Verwunderung über diese ungewöhnliche einzigartige Persönlichkeit, die er in Berlin ausfindig gemacht hat. Auch Teile seiner Interviews mit Charlotte führt Horwitz vor, indem er beide Rollen gleichzeitig übernimmt.

Die unschuldig wirkende Charlotte hatte dabei eine ausgefeilte Methode entwickelt, wenn ihr die Fragen zu indiskret werden: Sie ließ die Frage unbeantwortet und führte ihrem Befrager einfach ein weiteres ihrer Museumsstücke vor. Derer gibt es viele, auch auf der Bühne der Kammerspiele: In der ersten Hälfte ist sie museal ausgestattet. Eines der Zimmer in ihrem weitläufigen Elternhaus ist voll möbliert zu sehen. Auf genauso viele Fragen, denen Charlotte lieber ausweichen möchte, stößt auch der Journalist. Er findet heraus, dass sie für die Stasi gearbeitet hat, nachdem diese herausgefunden hatte, dass ihr Museum zum Treffpunkt der Schwulen und Lesben in Berlin geworden ist. In diesem Zusammenhang hat sie auch einen Freund, den Sammler Alfred Kirschner, verraten und damit ins Gefängnis gebracht.

In zweiten Teil nach der Pause wird Charlotte die Möglichkeit zum Ausweichen genommen: Ihr Zimmer ist leer, bis auf ein paar Möbel, die unter weißen Tüchern verborgen an die Seite geräumt sind. Nackt bis auf eine Hose windet sich Horwitz als eingekerkerter Alfred auf dem Boden. Als er sich wieder in Charlotte verwandelt, erscheint auch diese ganz in schwarz.

Horwitz beweist in diesem Stück einmal mehr, welche Wandlungsfähigkeit in diesem Ausnahmeschauspieler steckt. Eine Glanzleistung, die aber trotz der Fokussierung auf seine Person nie die Persönlichkeit zu kurz kommen lässt, um die sich dieser Abend dreht: Charlotte von Mahlsdorf.

Birgit Schmalmack von 4.11.08