Der Mann ohne Vergangenheit


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Die Finnen sind das einzige Volk, das sich in Moll freuen kann

Die kleine Dreimannband spielt vorwiegend in den düsteren Tonarten. Melancholisch, getragen sind ihre Melodien, die der Bass, die Gitarre und das Akkordeon hervorbringen. Die finnischen Menschen verhalten sich dementsprechend. Wenig wird gesprochen, langsam sind die Bewegungen und zurückhaltend ihre Kontaktaufnahmen. Aber sie geben nicht auf, ihr Glück auch unter diesen Bedingungen zu suchen.

Jakob (Steffen Wink) wird auf einer Reise von zwei Ganoven zusammen geschlagen und ausgeraubt. Man hält ihn schon für tot, doch er rappelt sich wieder auf. Fortan muss er allerdings mit einer schweren Bürde sein Leben bewältigen: Er ist "Der Mann ohne Vergangenheit", denn er hat sein Gedächtnis verloren. Er hat keinen Namen und keine Erinnerungen mehr. So findet er nur bei der Heilsarmee Unterschlupf, Arbeit und schließlich auch die Liebe. Eine schüchterne Heilsarmistin (Katja Studt) hat es ihn angetan. Für sie ist es die erste Liebe. Als seine Identität schließlich entdeckt werden kann, droht ihre junge Beziehung schon wieder beendet zu sein: Er ist bereits verheiratet.

Regisseur Gil Mehmert hat sich an den Kultfilm von Aki Kaurismäki gewagt. Seine Idee, die Geschichte durch die mit allen Wassern gewaschene Dreierband (Stefan Walz, Alexander Geringas, Carsten Schnack) tragen zu lassen, erwies sich als Glücksgriff. Die drei produzieren mit ihren Melodien nicht nur die richtige Atmosphäre sondern erzeugen mit ihren Instrumenten auch alle vorkommenden Geräusche. Ob Telefonklingeln, Schreibmaschinengeklapper, Zugrattern, Türklopfen... - alles wird live auf der Bühne gemacht. Außerdem sind die drei vielfältig einsetzbar. Sie übernehmen alle Rollen außer den beiden Hauptdarstellern Studt und Wink. Wenn der grandiose Komödiant Stefan Walz dann auch noch den Hund mit einer simplen Pelzmütze gibt, schlägt das Vergnügen über die enorme Wandlungsfähigkeit hohe Wellen. Überhaupt steckt die Inszenierung voller Einfallsreichtum, der ganz passend zu dem Stil Kaurismäkis mit dem Kleinen, Unscheinbaren zu zaubern versteckt. Aus zwei simplen Scheinwerfern wird im Handumdrehen durch ein wenig Rütteln im autogerechten Abstand ein Wagen, mit dem eine Spritztour unternommen werden kann. Der Geigenbogen wird zur Nagelfeile der Sekretärin. Das Akkordeon wird zur ihrer Schreibmaschine.

Das Publikum erklärte sich am Schluss solidarisch mit den Finnen: Auch es hatte gelernt sich in Moll zu freuen.

Birgit Schmalmack vom 9.9.05