Das Verschwinden der Ziele

Der Kohlenpeter (Max Mayer) will sich endlich einmal groß fühlen. Er will dazugehören zur Dorfgemeinschaft. Bisher ist er der schwarze Geselle, der nie ein Mädchen abkriegt. So begibt er sich in den Wald zum zauberkräftigen Holzmichel (Charlotte Pfeifer). Er lässt sich auf den Handel - Herz gegen Geld - ein. Plötzlich wird der schmächtige, gerade noch arme Mann dem mächtigen, reichen Ezechiel (Knarf Rellöm) ebenbürtig; solange er Geld in den Taschen hat, erscheinen ihre Schattenbilder hinter den milchig-transparenten Panelen in der Kampnagel-Halle gleichgroß. Als das Spielglück ihn jedoch verlässt, schrumpft sein Schatten wieder auf Zwergesgröße und er wird von den riesengroßen Dörflern unsanft hinausbefördert.

In dem Märchen "Das kalte Herz" fand Regiediplomandin Christine Eder eine stimmige, immer noch gültige Metapher über die sich ausschließende Wirkung von Materialismus und Menschlichkeit. Das schlichte, effektive Bühnenbild (Ausstattung: Martina Stoian) erlaubt ein Spiel mit der Perspektive. Die Personen können ein Bild von sich entwerfen, das ihre Stellung in der Gesellschaft symbolisiert. Die Kostüme in einer Mischung aus Uniformen und Karnevalskleidung mit effektvoll aufgezwirbelten Haaren unterstreichen und enttarnen ihren Wunsch nach Selbstinszenierung. Eder hat eine souveräne und spannende Inszenierung auf Kampnagel vorgelegt. Max Mayer zeigt als Kohlenpeter eindrucksvoll alle Gefühlslagen vom armen Schlucker, aufstrebenden Gernegroß, skrupellosen Mörder bis hin zum desillusionierten einsamen Mann, dem jedes Lebensziel abhanden gekommen ist. Der Reichtum scheidet aus, aber was soll nun an seine Stelle treten?

Birgit Schmalmack vom 17.5.05

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