Die Ziege



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Jenseits aller Regeln

Es geht um das Brechen aller gesellschaftlicher Regeln. Es geht um die Missachtung aller Tabus. Was passiert, wenn ein Mensch, der anscheinend hervorragend in der Gesellschaft funktioniert und sogar glücklich ist, plötzlich ausschert aus dem normalen Konzens? Das ist das Thema in "Die Ziege oder Wer ist Silvia" von Edward Albee, das Burghart Klaußner in den Kammerspielen hervorragend in Szene gesetzt hat.

Martin (Guntbert Warns) hat alles erreicht. Er lebt seit 22 Jahre mit der Frau (Catrin Striebeck) zusammen, die er leidenschaftlich liebt. Er hat sogar guten Sex mit ihr und war ihr nie untreu. Er hat einen fast erwachsenen Sohn (Sven Fricke), dessen Schwulsein er tolerant hinnehmen kann. Er ist ein gefragter Architekt, der als Anerkennung seines bisherigen Lebenswerkes einen begehrten Preis gewonnen hat. Doch plötzlich verliebt er sich: in Silvia. Doch Silvia ist keine Frau, sondern eine Ziege. Mit diesem Tabubruch untergräbt er mit einem Schlag alles, was er bis dahin sorgsam gepflegt hat: die Grundlage seines wohlbestellten Lebens und das seiner Familie.

Dass die Aufführung in den Kammerspielen so gut gelungen ist, beruht auf vielen Komponenten. Da sind zum einen die hervorragenden Schauspieler, die in jedem Moment die Geschichte vor einem möglichen Abgleiten ins Triviale oder Reißerische bewahren. Das liegt an der sensiblen Regie, die genau diese Fallstricke sorgfältig umgeht. Das liegt aber auch an dem wunderschönen Bühnenbild, das zwei schneeweiße Ebenen als cleane, stylische Architektenidylle auf die Bühne setzt. Im Laufe des spannenden Abends wird sie immer mehr zur Trümmerhalde. Am Ende sitzt der Sohn vor den Trümmern seines Elternhauses leise wimmernd am Rand.

Birgit Schmalmack vom 16.2.06