Reden um nichts zu sagen

Die Frau liegt gekrümmt und wimmernd auf dem Boden, der Mann von ihr abgewandt daneben. An ihrer spärlichen Kleidung ist zu erkennen, dass der Liebesakt noch nicht lange vorbei sein kann. Doch statt Harmonie scheint eine schwerwiegende Meinungsverschiedenheit ihre Stimmung nachhaltig zu belasten. Die Frau spricht es aus. Sie kann nicht glauben, dass ihr Geliebter so ignorant sein könne um Selbstverständliches nicht zu durchschauen: Die bedeutende Frage, ob eine Schildkröte und eine Schnecke dasselbe seien, müsse einfach mit Ja beantwortet werden. Ihr Körperspiel unterstützt ihren Wunsch nach Einvernehmlichkeit bei gleichzeitiger Wahrung der Individualität. Küsse und liebevolle Umarmungen wechseln sich mit distanzierenden Abgrenzungen über so beziehungsentscheidende Inhalte ab.

Die Mutter hält ihr Kind im Arm. Ihr Kneifen in seine Wange und ihr Klopfen auf seinen Popo scheinen zunächst Zärtlichkeit auszudrücken, verwandeln sich aber sekundenschnell in Bestrafung und Unterdrückung. So verleiht sie ihrer immer wieder geäußerten Forderung nach bedingungsloser Liebe Nachdruck. Schließlich verdiene ihre Opferbereitschaft als umsorgende Mutter entsprechende Entlohnung. Als aufmerksame Tochter erweist diese ihre Lernfähigkeit, indem sie ihre Mutter so stark an ihr Herz drückt, dass deren Körper danach leblos in sich zusammen sackt.

Zwei Geschichten von Eugène Ionesco, die die Regisseurin Erla Prollius für ihr Stück "Lieber heute lieben als morgen bereuen" imLichthof auf die Bühne gebracht hat. Sie werfen Schlaglichter auf Aspekte der Kommunikation in zwischenmenschlichen Beziehungen, die bei Ionesco gerne durch das Mittel der Überzeichnung ins Absurde zuspitzt werden. Durch Blacks werden schnelle Schnitte zwischen den einzelnen Szenen erreicht. Die Bühnengestaltung von Marcel Weinand eröffnet einen vielseitig nutzbaren Raum, der vor die rückwärtige, in türkises Licht getauchte Wand links und rechts zwei weitere halbe setzt, die gebogen in die Bühne hereinragen und so die Auf- und Abtritte erleichtern. Prollius weis als professionelle Theatermacherin geschickt einige Schwächen der Darsteller durch ihr abwechselungsreiches Konzept aufzufangen und die Stärken einzelne umso mehr zur gebührenden Wirkung zu bringen. So lässt sie einige darstellerisch starke Schauspieler öfter im Fokus der Aufmerksamkeit stehen. Oder sie zerschneidet eine Szene, die das gesellschaftliche Bla-Bla illustriert, in kleine Sequenzen und setzt sie in der Wiederholung allmählich zur ganzen Geschichte zusammen. Klug setzt sie auf klar choreographierte Körpersprache. Das Outfit der Akteure legt den gesellschaftlich akzeptierten Rahmen fest: Abendkleidung ist Pflicht.

Birgit Schmalmack vom 27.09.03

Weitere Vorstellungen am 3. und 5. 10. um 20 Uhr im Lichthof, Mendelssohnstr. 15, Hamburg-Bahrenfeld, Tel. 040/85500840, www.lichthof-hamburg.de