Lola Blau


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Ich vergaß dich zu vergessen

Ganz unpolitisch sei sie, nur einfach singen und tanzen wolle sie. Doch im Jahre 1938 kommt der Sängerin Lola Blau leider ein gewisser Hitler bei ihren Plänen in die Quere, in Linz ihr erstes Engagement anzutreten. Stattdessen folgt sie ihrem Freund Leo Glucksmann, der sich in der Schweiz in vermeintliche Sicherheit gebracht hat. Doch sie kommt zu spät, er ist bereits im KZ Dachau. Ein Ausreiseersuchen der Schweizer Behörden und eine Einreiseerlaubnis der amerikanischen führt sie in die USA. Trotz großer Erfolge bleibt sie auch hier heimatlos.

Wie eine unbedarfte, naive junge Frau, die eigentlich nur ihrer Karriere und ihrem Liebesleben nachgehen möchte, in die Mühlen der Zeit gerät, zeigt Saskia Fischer als Lola Blau auf sehr berührende Weise. In ihrem Lächeln liegt stets schon das Weinen. "Heute fand ich alte Tränen", singt sie mit gebrochener Stimme, aufgelöstem Haar, verlaufener Wimperntusche und versucht doch immer die bühnenreife Show-Fassung zu wahren.

Lola Blau lebt, fühlt und atmet durch Saskia Fischer. Bei ihr ist dieses Musical von Georg Kreisler nicht einfach eine Ansammlung von Liedern. Sie singt diese Songs nicht nur, sie interpretiert, spricht, schluchzt, spielt, erzählt, lächelt sie. Diese Vollblutschauspielerin könnte damit selbst dem Interpretations-Meister Kreisler das Wasser reichen.

Den ruhigen Kontrapunkt zu dieser quirligen, mal himmelhoch jauchzenden, mal zu Tode betrübten Lola setzt der begleitende Pianist Jakob Vinje mit seinem akzentuierten, untermalenden Spiel und die zurückhaltende, grau-triste Bühne, die ganz mit rauen, einfachen Gehwegplatten ausgelegt ist und mal ein Bahnsteig, die Bühne und Lolas Wohnung sein kann. Der Regisseur Harald Demmer wollte mit ihrer Geschichte berühren und benutzt daher ab und zu das legitime Mittel der leichten Überzeichnung. Auf der, ist die Lola bei ihm am Ende in den USA eine der Flasche Gin verfallene tieftraurige, heruntergekommene Verliererin. Erst als Leos Stimme sie via Telefon nach Wien ruft, keimt der Hoffnungsschimmer nach Leben und Liebe in ihr wieder auf. Demmer macht so die Zerrissenheit dieser jungen Frau deutlich. Saskia Fischer fängt durch ihr einfühlsames Spiel jedes mögliche Zuviel souverän auf. Bei ihr ist es verstehbar und nachfühlbar. Ihre Lola lebt eben ganz unmittelbar ihrem Gefühl. Nur die Scham und ihre Schüchternheit bei aller Zurschaustellung ihrer selbst hält sie vor allzu öffentlichen Ausbrüchen zurück.

So etwa hätte sich Georg Kreisler die Lola Blau in seinem Musical für eine Schauspielerin vorstellen können. So unsicher, so böse, so schüchtern, so lasziv, so liebebedürftig und so hungrig nach Beifall. Saskia Fischer spielt mit solcher Energie, Brillanz und Authenzität, dass wohl kaum jemand ungerührt bleiben konnte.

Birgit Schmalmack vom 19.7.02