hamburgtheater vom 19.10.03

Abgeschleppt, vernascht und geangelt

Ein Laufsteg aus Kleider ist diagonal über die Bühne gelegt. Eine Frau in rotem Abendkleid stolziert herein. Sie hat schwer mit ihrem Kleidungsstück zu kämpfen - um ein paar Schritte zu machen muss sie seine enorme Stofffülle immer wieder hoch raffen. Am Ende des weich ausgelegten Steges angekommen lässt sie ihren Kleiderschlauch fallen und geht langsam rückwärts bis zum Anfang und zieht so eine lange rote Linie hinter sich her. Ein hereinkommender junger Mann nutzt die rote Fläche als Performance-Platz für seine Body-Builder-Künste. Das spätere Abschleppen der Frau ist für ihn dank seiner vorgeführten Muskeln und ihrer ausgelegten Leine kein Problem.

In einem anderen Bild wird eine Frau vernascht: Vor einer Videoprojektionsfläche aus einem weißen Vorhang, auf der der Mund eines essenden Mannes zu sehen ist, windet sich eine Tänzerin. Im Laufe ihrer Bewegungen wickelt sie sich so in den Stoffvorhang ein, dass sie in der Mundhöhle des Mannes verschwindet.

Immer wieder wird die Angelrute von der Licht- und Regieturm, der am Rande der Bühne aufgestellt wurde, ausgeworfen. Unter anderem verführt durch einen paradiesischen Apfel der Sünde werden die Frauen von den oben stehenden Männern geangelt.

Mit viel Witz hat die chinesische Tanzgruppe "The Living Dance Studio" mit ihren fünf weiblichen und zwei männlichen Tänzern ihren "Report on Body" auf Kampnagel vorgelegt. Ihre Beobachtungen über die Vermarktung und Zurschaustellung des Körpers im heutigen China greifen ironisch die zunehmende Orientierung am Konsum und der äußerlichen Verschönerung auf, indem die Tanzfläche auf immer neue Art mit Massen von Kleidungsstücken ausgelegt wird. Die Zuschauer honorierten ihre einfallsreiche und humorvoll kommentierte Bildervielfalt mit lang anhaltendem Applaus.


Welt vom 11.10.03

Ein furioser Tanz in die chinesische Zukunft

Zur Spielzeiteröffnung gestattet Kampnagel für drei Wochen einen umfassenden Blick in das Reich der Mitte

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