Täglich Brot


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Jeder ist sein Glückes Schmied

Sie krabbeln die Karriereleiter hoch, geraten auf die schiefe Bahn, rutschen wieder herunter, bieten sich beim Winden um eine Stange an wie in einer Rotlichtshow, hangeln an den Verstrebungen zu neuen Ebenen oder verschwinden nach dem Absturz im Untergrund. Das Bühnenbild von Marcel Weinand bietet eine variantenreiche, spannende Kulisse für das Karrierestreben von fünf Auf-/Um-/Absteigern im heutigen Berufsleben. Sie kämpfen vorrangig nicht um das "Täglich Brot", sondern um Ansehen, Selbstbestätigung und irgendeine Art von Befriedigung. Eindrucksvoll geben die fünf typischen Vertreter Einblick in ihre einsamen Strategien der Profilierung, die ihnen einen Erfolg garantieren sollen.

Die junge unerfahrene Praktikantin Nelke malt sich dafür die Energie ihrer Jugend ins Gesicht, als sie die erhoffte Chance zum Kaffeekochen in einer neuen Firma erhält. Die betont durchsetzungsstarke Geschäftsfrau Gala weiß um ihre Ellenbogenfähigkeiten und ihren Ehrgeiz, die sie in ihre jetzige Position gebracht haben und fürchtet die Gefährdung durch die kostengünstigere Jugend. Die dienstleistende Schichtarbeiterin Ela glaubt fest an ihre spätentdeckte Energie, mit der sie sich nach der sozialen Kinder- und Ehemannphase auf dem Arbeitsmarkt durchsetzen wird. Der junge Projektleiter Ulrich sieht sich als perfekten Schwiegersohn, der zur idealen Zielgruppe für Produkte des gehobenen Standards gehört. Im Gegensatz zu den Vieren, die auf dem Weg ins Geradeaus nach oben sind, ist der Arbeitslose Sesam durch das Raster des effektiven Humankapitals gefallen. Er gehört nun zum Club der scheintoten Stubenhocker und muss schon jede Entscheidung, hinauszugehen und sich zu Arbeitszeiten auf der Straße zu zeigen, als persönlichen Erfolg werten. Die Regisseurin Maryn Stucken gibt Sesam passend zu derzeitigen Arbeitsmarktlage fünf Stimmen. So verleiht sie dem Chor der Arbeitslosen Ausdruck, der das System der Erfolgreichen vielstimmig in Frage stellen und kommentieren kann. Sie wird damit auch der sprachlichen Musikalität im Text von Gesine Danckwart gerecht, die Äußerungen, Schlagworte und Gedanken aus der Arbeitswelt zu einem aussagekräftigen, interessanten Mosaikbild zusammenstellt und bewusst auf stringente Geschichten verzichtet.

Das kluge, kurzweilige und einfallsreiche Konzept der Inszenierung und das große Engagement des Ensembles beeindrucken. Diese Arbeit sollte auch diejenigen in den Lichthof locken, die die kleine Bühne im Bahrenfelder Hinterhof noch nicht entdeckt haben.

Birgit Schmalmack vom 18.5.03

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