Glückliche Tage


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Think positiv!

Wenn Winnie das Gefühl haben darf gesehen und gehört zu werden, kann sie den Tag als einen glücklichen verbuchen. Ihre Chancen dafür scheinen aber denkbar schlecht: Sie ist bewegungsunfähig in einen einsamen Wüstensandhaufen unter der sengenden Sonne eingegraben und ihr meist schlafender Ehegatte Willie haust in einem Erdloch hinter ihrem Hügel. Doch diese eher theoretische Möglichkeit eines Zuhörers reicht ihr schon, um ihren Rede- und Gedankenfluss nicht ins Stocken geraten zu lassen. So versichert sie sich ihrer noch vorhandenen Lebendigkeit. Sie kann das Blau des Himmels sehen, die Wärme der Sonne spüren, den Geruch des heißen Sandes riechen und sich ihre Gedanken über den Sinn einer Existenz auf dieser Erde machen. In Verrichtungen wie Zähneputzen, Haare bürsten, Lippen nachziehen findet sie Haltepunkte in ihrem gleichförmigen, eingeschränkten, wenig Aufregungen bereithaltenden Tageslauf. Und doch entdeckt sie immer wieder genügend Anlässe um etwas "wundervoll" zu finden: eine krabbelnde Ameise, einen alten, einstmals von Willie verehrten Sonnenschirm, die Erinnerung an Zeilen eines Gedichtes oder ein Lied zur passenden Zeit.

Gerda Gmelin ist eine wunderbare Besetzung für diese spitzbübische Dame, die so gerne bis zum letzten Atemzug das Leben auskosten möchte. Das Motto "Think positiv!" könnte von ihr erfunden worden sein. Der Gmelin traut man diese Willenskraft ohne weiteres zu. Sie spielt die dominante Arroganz, mit der sie ihren Kriecher Willie (Jochen Baumert) behandelt, mit einem von Trauer gebrochenen Schalk, der ihre Abhängigkeit und Liebebedürftigkeit immer wieder an die Oberfläche kommen lässt.

Nach der Pause ragt nur noch ihr Kopf aus dem Sandhaufen (Bühne: Ursula Roethel). Trotzdem schafft Gerda Gmelin es spielend, nur mit ihrem beeindruckenden, energiesprühenden Gesicht und ihrer markanten Stimme die Geschichte der Winnie in "Glückliche Tage" von Samuel Beckett lebendig werden zu lassen. Unter der bewährten und einfühlsamen Regie von Christoph Roethel zieht sie im kleinen Saal des Winterhuder Fährhauses über zwei Stunden die Zuschauer in ihren Bann.

Birgit Schmalmack vom 6.12.02