Ich wollt ich wär ein Kaffeesieb ...

....das Dicke würde in mir hängen bleiben
und das Dünne flösse weiter.

Von dieser Qualität sind die poetischen Ergüsse der "Poetantin" Julie Schrader, die Dorit Meyer im Theater N. N. sehr vergnüglich aufs Korn nimmt. Sie bringt es fertig, diese lebenslustige Person mit großem Herz distanziert ironisch zu betrachten und sie dennoch in jedem Moment ernst zu nehmen. Sie ist bei ihr einfach eine lebensfrohe Frau, die sich ihr Recht auf eine große Portion Leben und Spaß zu nehmen weiß - und das obwohl sie um das Jahr 1900 lebte. Für eine Frau eine ungewöhnlich aktive Rolle. Ihren Lebenshunger stillte sie immer wieder aufs Neue an den Männern. Die Künstler oder im Notfall auch Adlige oder Prinzen haben es ihr angetan. Gar nicht uneitel becirct sie auf ihre natürlich-naive Art die Herren und lässt sich gerne von deren Liebesfertigkeiten verwöhnen. So erinnert sie sich noch lange gerne an den "Rührlöffel" eines Komponisten, der so schön "in ihrer Suppe" zu rühren vermochte. Oder sie schreibt ein Liebesgedicht an ihren ehemaligen "Mörser"-Geliebten, der "ihre Pfefferkörner" im Nu zerstampfen könne. Die Lebenskünstlerin weiß eine unnachahmliche Mischung aus tugendhafter Schlüpfrigkeit zu wahren. Wenn ein Mann nicht ihren Ansprüchen genügt, kann das Strumpfband die Grenze ihrer Sittsamkeit sein.

Schweren Herzens entschließt sie sich, als ihre Beraterin und Schwester Emma ihr eröffnet, dass sie sich schließlich auch nicht jünger werden würde, zur Ehe mit dem stattlichen Bauernsohn Hermann - ein schwerer Fehler. Die Regisseurin Mona Rosenquist zieht die Verbindung zur Gegenwart und wünscht ihr eine Errungenschaft der Moderne: Eine damals unmögliche Scheidung hätte der bodenständigen, frühen Frauenrechtlerin die heißgeliebte Freiheit wiedergeben können.

Birgit Schmalmack vom 18.7.02